Straßen, Schienen, Signale: Wo der Ausbau stockt und Chancen liegen

Die Infrastruktur im Rhein-Lahn-Kreis braucht mehr als gutes Wetter - Unternehmen fordern Tempo bei Straßen, Netzen und ÖPNV

25. Juni 2025
Straßen, Schienen, Signale: Wo der Ausbau stockt und Chancen liegen

Der ländliche ÖPNV ist oft lückenhaft und unattraktiv - moderne Mobilitätskonzepte könnten für bessere Verbindungen sorgen. Foto: connel_design-stock.adobe.com

Die zentrale Lage ist ein Pfund, mit dem der Rhein-Lahn-Kreis wuchern könnte – theoretisch. In der Praxis kämpfen Unternehmen jedoch mit maroden Kreisstraßen, fehlender Mobilfunkabdeckung und langsamen Planungsverfahren. Dabei ist Infrastruktur heute mehr denn je ein entscheidender Standortfaktor. Wer wachsen will, braucht schnelles Internet, gut ausgebaute Verkehrswege und verlässliche Verbindungen. Doch der Investitionsstau bremst nicht nur den Verkehr.

Ein zentrales Problem ist die Verkehrsanbindung innerhalb des Kreises. Zwar liegt der Rhein-Lahn-Kreis zwischen den Autobahnen A3 und A61 und in Reichweite der ICE-Knotenpunkte in Limburg und Montabaur sowie der internationalen Flughäfen. Doch die regionale Infrastruktur, insbesondere die Kreis- und Ortsstraßen, ist vielerorts in schlechtem Zustand. Unternehmerinnen und Unternehmer berichten von Transportverzögerungen, Lieferproblemen und einem zunehmenden Verschleiß der Fahrzeugflotten. Besonders betroffen sind Gewerbegebiete abseits der Hauptachsen.

Wirtschaft fordert Erhalt statt Stillstand

Der Neubau von Straßen steht dabei gar nicht im Vordergrund – es geht vielmehr um den Erhalt und die Modernisierung bestehender Verkehrswege. Ortsumgehungen, wechselseitige Überholspuren und ein sinnvoller Ausbau vorhandener Strecken, wie der B 260, der B 274 oder der L 335, werden seit Jahren gefordert. Stattdessen herrscht Frust über Verzögerungen und das Gefühl, dass Investitionen ideologisch ausgebremst werden. Der Vorwurf lautet, die Infrastrukturpolitik auf Landes- und Bundesebene verliere den ländlichen Raum zunehmend aus dem Blick.

Ein Paradebeispiel ist die B 274, eine zentrale Verkehrsachse quer durch den Kreis mit Anschluss zur A 3 auf hessischer Seite. Für viele Unternehmen ist sie essenziell, doch ihr Zustand lässt oft zu wünschen übrig. Auch bei dem Ausbau der L 335 im Abschnitt Braubach–Dachsenhausen geht es nur langsam voran. Dabei könnte gerade hier die regionale Mobilität wirksam verbessert werden.

Digitaler Rückstand in Gewerbegebieten

Auch jenseits von Asphalt gibt es Nachholbedarf. Zwar wurden in den vergangenen Jahren viele Projekte zum Breitbandausbau angestoßen, doch besonders in Gewerbegebieten fehlt es häufig noch an echter Glasfaserinfrastruktur. Und selbst dort, wo Daten fließen, ist der 5G-Mobilfunkstandard oft nicht verfügbar. Dabei erwarten Unternehmen heute eine verlässliche, leistungsfähige Netzinfrastruktur – vor allem in einem Landkreis, der sich selbst als Zukunftsstandortpositionieren will.

Hinzu kommt, dass viele Betriebe von langwierigen Planungsprozessen berichten. Ob Straßen, Masten oder Antennen – Genehmigungen dauern, Beteiligungsverfahren ziehen sich und Zuständigkeiten sind unklar. Die Folge: Projekte stagnieren und Chancen werden vertan.

Verkehrsprojekt mit Symbolkraft: Die Mittelrheinbrücke

Die seit Jahrzehnten diskutierte Mittelrheinbrücke bei St. Goar/St. Goarshausen ist ein Thema mit Langzeitwirkung. Seit Mitte 2023 liegt ein positiver Raumordnungsentscheid für den Standort Fellen/Wellmich vor, der so konkret wie nie ist. Nun ist die Politik am Zug. Für die regionale Wirtschaft hätte die feste Rheinquerung eine enorme Bedeutung: kürzere Wege, besserer Austausch und mehr Integration zwischen rechts- und linksrheinischen Unternehmen.

Dabei geht es nicht nur um Verkehr, sondern um wirtschaftliche Perspektiven. Wer den Standort stärken will, muss Mobilität ermöglichen. Die Brücke könnte Symbol und Motor zugleich sein.

Beim ÖPNV gibt es viel Platz, aber wenige Verbindungen.

Ein weiteres Feld mit Handlungsbedarf ist der öffentliche Nahverkehr. Die Distanzen im ländlichen Raum sind groß, die Taktungen gering und die Verbindungen oft unattraktiv. Gerade für Mitarbeitende ohne Auto bedeutet das eingeschränkte Mobilität. Dabei ließen sich mit modernen Konzepten – von Rufbussen über Pendler-Shuttles bis hin zu regionalen Mobilitätsplattformen – innovative Lösungen schaffen. Erste Ideen liegen auf dem Tisch, doch es fehlt an Umsetzung und Finanzierung.

Mehr Verkehr auf die Schiene? Nur bedingt.

Auch die Schiene ist kein Allheilmittel. Zwar wird immer wieder gefordert, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Doch gerade im Nahbereich rechnet sich das kaum. Für Transporte über größere Entfernungen von mehr als 300 Kilometern ist die Bahn hingegen durchaus wirtschaftlich. Der Kreis könnte von besseren Anbindungen profitieren, doch der Bau neuer Strecken und Gleisanschlüsse ist kaum realistisch. Zu klären wäre, ob stillgelegte Trassen reaktiviert werden können oder ob die Mittel nicht besser in bestehende Verkehrsnetze investiert werden sollten.

Impulse statt Ausreden

Den Unternehmen im Kreis ist bewusst, dass Infrastrukturprojekte Zeit benötigen. Sie erwarten jedoch sichtbare Fortschritte und mehr Engagement. Gerade in Zeiten des Standortwettbewerbs kann es sich die Region nicht leisten, auf halbem Weg stehen zu bleiben. Die Botschaft der Wirtschaft ist eindeutig: Wer Investitionen will, muss zuerst selbst investieren – in Straßen, Netze und Verbindungen.