Energiewende auf dem Prüfstand im Rhein-Lahn-Kreis

Industrie sucht Anschluss - Steigende Preise, fehlende Netze und eine unübersichtliche Förderung: Im Rhein-Lahn-Kreis fordern Unternehmen eine verlässliche Energieinfrastruktur für die Zukunft.

25. Juni 2025
Energiewende auf dem Prüfstand im Rhein-Lahn-Kreis

Die Energiewende in der Praxis: Windkraft, Solarenergie und Netzausbau müssen künftig enger zusammenspielen, um Unternehmen und Haushalte verlässlich zu versorgen. Foto: peterschreiber.media - stock.adobe.com

Sie produzieren effizient und denken nachhaltig, doch beim Thema Energie stoßen viele Betriebe im Rhein-Lahn-Kreis an ihre Grenzen. Die Umstellung auf klimafreundliche Energien ist gewollt, aber oft nicht realisierbar. Mal fehlt es an Planungssicherheit, mal am Netzanschluss und fast immer an Orientierung im Förderdschungel. Dabei wissen die Unternehmer: Ohne eine stabile Versorgung zu bezahlbaren Preisen ist kein Wachstum möglich. 

Die Energiefrage ist längst zur Standortfrage geworden. Die Energiewende ist für die Unternehmen im Rhein-Lahn-Kreis kein abstraktes Zukunftsprojekt, sondern tägliche Realität. Spätestens seit dem starken Anstieg der Energiepreise in den letzten Jahren ist klar: Wer nicht umdenkt, zahlt drauf. Doch Umdenken allein genügt nicht. Es braucht Leitungen, Technologien, Beratung – und vor allem klare Perspektiven. Genau daran aber fehlt es vielen Betrieben.

Gerade der industrielle Mittelstand, der in der Region zwar nicht in großer Zahl, dafür aber mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung vertreten ist, sieht sich komplexen Herausforderungen gegenüber. Wer etwa von Gas auf Strom oder Wasserstoff umstellen will, muss wissen, ob und wann die entsprechende Infrastruktur verfügbar ist. „Wie viel Strom wird wo verfügbar sein – und in welcher Qualität?“ Diese Frage stellten viele Unternehmer im Zuge der IHK-Befragungen immer wieder. Die Antwort darauf bleibt bislang vage. 

Wirtschaft will Investitionen - aber nicht ins Ungewisse

Die Betriebe möchten in neue Energieanlagen investieren, beispielsweise in Photovoltaik, Biomasse, Wärmepumpen oder Prozesswärme aus regenerativen Quellen. Doch ohne gesicherte Einspeise- oder Versorgungsmöglichkeiten ist das Risiko groß. Einige Unternehmen haben bereits eigene Transformationspläne erarbeitet. Was ihnen fehlt, ist die Anbindung an ein zukunftsfestes Netz. Besonders energieintensive Betriebe brauchen Verlässlichkeit statt theoretischer Szenarien.

Der Appell an Politik und Verwaltung lautet daher: Schafft endlich eine Planungsgrundlage! Benötigt wird ein regionales Energieversorgungskonzept, das Netzausbau, Speicherlösungen und Lastmanagement miteinander verbindet und die Bedarfe der Unternehmen berücksichtigt. Mehrfach haben sich Unternehmer bereit erklärt, ihre eigenen Entwicklungsdaten in solche Planungen einzubringen. Voraussetzung sind ernsthaftes Interesse und eine koordinierte Umsetzung. 

Zwischen Anspruch und Anschluss

Ein weiteres Hemmnis ist, dass es zwar viele Förderprogramme für Energieeffizienz, Transformation und CO₂-Reduktion gibt, doch kaum ein Betrieb blickt noch durch. Zuständigkeiten wechseln, Fristen sind kurz und die Voraussetzungen sind unklar. Was bleibt, ist Frustration. Die Forderung nach sogenannten „Fördermittellotsen“ ist daher mehr als nachvollziehbar. Damit sind Anlaufstellen – kommunal oder bei der IHK – gemeint, die dabei helfen, passende Programme zu finden, Anträge zu stellen und die Umsetzung zu begleiten.

Der Bedarf ist dabei nicht nur technisch, sondern auch kulturell. Viele Unternehmen wünschen sich „moderierte Entscheidungsprozesse“, also Formate, in denen Fachleute, Wirtschaft und Verwaltung gemeinsam Lösungen entwickeln, anstatt sich durch Regularien gegenseitig auszubremsen. 

Ländlicher Raum als Energieakteur - und Risikozone?

Ein großer Teil der regenerativen Energieerzeugung findet – nicht zufällig – im ländlichen Raum statt. Auch im Rhein-Lahn-Kreis entstehen zunehmend Photovoltaik- und Windkraftprojekte, Biomasseanlagen und Geothermie-Vorhaben. Doch je mehr die Energieversorgung in die Fläche wandert, desto höher wird auch der Anspruch an die Netzinfrastruktur. Strom muss gespeichert, verteilt und gesteuert werden.

Die Unternehmen im Kreis sehen diese Entwicklung grundsätzlich positiv. Doch sie warnen auch vor Überforderung. Wenn jede Gemeinde eigene Wege geht, ohne überregional abgestimmte Konzepte, droht ein Flickenteppich ohne Skaleneffekte. Was fehlt, ist Koordination auf Kreis- und Landesebene. 

Nachhaltigkeit beginnt vor Ort, aber nicht allein

Ein zweiter Aspekt betrifft die gemeinsame Verantwortung: Klimaschutz gelingt nur, wenn Unternehmen, Kommunen und Bevölkerung zusammenarbeiten. Deshalb richten sich viele Forderungen nicht nur an politische Instanzen, sondern auch an die Gesellschaft. Wer den Energieumbau will, muss ihn mittragen – auch wenn er Windräder am Horizont oder Freiflächenanlagen im Landschaftsbild bedeutet.

Gleichzeitig verweisen die Unternehmen auf ihre eigene Rolle: Viele von ihnen investieren bereits in nachhaltige Betriebsmodelle, setzen auf Kreislaufwirtschaft und reduzieren ihre Emissionen. Doch ohne die entsprechende Infrastruktur, Anreize und Akzeptanz stoßen diese Bemühungen an ihre Grenzen. 

Der Kreis braucht eine Energiepolitik mit Weitblick

Was der Rhein-Lahn-Kreis jetzt braucht, ist eine strategische Energieplanung: Wo entstehen welche Kapazitäten? Welche Regionen sind für welche Technologien geeignet? Welche Netze müssen bis wann bereitstehen? Und wie können Unternehmen in diesen Prozess eingebunden werden?

Nur so kann die Energiewende im ländlichen Raum gelingen – nicht als Belastung, sondern als Chance. Der Wille der Wirtschaft ist vorhanden. Nun braucht es gangbare Wege.