Ob Neubau, Erweiterung, Investition oder Innovation – zu oft scheitern Vorhaben im Rhein-Lahn-Kreis nicht am Willen der Unternehmerinnen und Unternehmer, sondern an der Bürokratie. Langwierige Genehmigungsverfahren, schwer durchschaubare Zuständigkeiten und ein verwaltungstechnischer Flickenteppich bremsen die Entwicklung aus. Der Wunsch der Wirtschaft ist klar: weniger Papier, mehr Digitalisierung, mehr Dialog und ein neues Denken auf allen Seiten.

Für viele Unternehmer im Rhein-Lahn-Kreis ist Bürokratie nicht nur ein Thema, sondern ein tägliches Hindernis. Genehmigungen, die sich über Monate hinziehen, Formulare, deren Sinn sich kaum erschließt, Abstimmungen zwischen Stellen, die nicht miteinander kommunizieren – das kostet Zeit, Geld und Nerven. Und nicht selten verhindert es Wachstum.
Dabei geht es nicht um das grundsätzliche Infragestellen von Regeln. Es geht darum, wie sie angewendet und umgesetzt werden, ob sie Prozesse also ermöglichen oder behindern. Der Wunsch der regionalen Wirtschaft ist deshalb eindeutig: Bürokratie darf nicht länger Selbstzweck sein. Sie muss zum Werkzeug einer wirtschaftsfreundlichen Verwaltung werden.
Das Problem beginnt bei den Verfahren.
Immer wieder berichten Unternehmen im Kreis von langwierigen und teils intransparenten Genehmigungsverfahren. Ob es um die Erschließung von Gewerbeflächen, Bauvorhaben oder betriebliche Erweiterungen geht – wer plant, muss Geduld mitbringen. In einem wirtschaftlichen Umfeld, das schnelle Entscheidungen und flexible Anpassung verlangt, ist das von Nachteil.
Oft scheitert es nicht an der Rechtslage selbst, sondern an deren Auslegung, der Kommunikation und der Abstimmung. Die verschiedenen Verwaltungen im Kreis verfolgen unterschiedliche Herangehensweisen und es vergehen mitunter Wochen, bis auf Rückfragen geantwortet wird. Viele Betriebe haben sich deshalb angewöhnt, externe Fachbüros für die Kommunikation mit Behörden einzuschalten. Gerade kleinere Betriebe können sich diesen Aufwand jedoch kaum leisten.
Die Digitalisierung ist der Schlüssel, aber bislang nur ein Torso.

Ein weiteres Problem ist, dass die Digitalisierung der Verwaltung zwar im Gange ist, aber noch weit von dem entfernt ist, was in der Privatwirtschaft längst Standard ist. Viele Prozesse sind bestenfalls „digitalisiert analog“, also PDF-basierte Varianten von Papierformularen. Medienbrüche, fehlende Schnittstellen und veraltete Systeme machen die Abläufe langsam.
Dabei wäre die technische Lösung oft vorhanden – was fehlt, ist der Mut zur vollständigen Umstellung und eine bessere Nutzerfreundlichkeit. Die Wirtschaft erwartet von der Verwaltung ein digitales Angebot, das nicht nur vorhanden, sondern auch funktional und intuitiv ist. Es geht um die einfache Beantragung von Genehmigungen, die transparente Nachverfolgung von Verfahren und den direkten Zugang zu zuständigen Ansprechpartnern – online und unkompliziert.
„Mindset“ statt Misstrauen
Ein Kernproblem liegt nach Meinung vieler Unternehmerinnen und Unternehmer nicht nur in Prozessen oder Technik, sondern im Denken. Die Haltung mancher Verwaltungsmitarbeitenden wird als formalistisch, zögerlich oder gar ablehnend wahrgenommen. Anstatt gemeinsam nach Lösungen zu suchen, fühle man sich oft wie ein Bittsteller.
Was fehlt, ist ein partnerschaftlicher Umgang auf Augenhöhe. Unternehmen wünschen sich Verwaltungsmitarbeiter, die wirtschaftliches Handeln nicht als Störung, sondern als Chance für die Region betrachten. Die Verwaltung muss nicht alles erlauben, sollte aber lösungsorientiert und dialogbereit agieren.
Netzwerke statt Silos
Ein Ansatz, der auf Zustimmung trifft, ist der Ausbau formalisierter Netzwerke zwischen Verwaltung und Wirtschaft. In einzelnen Verbandsgemeinden gibt es bereits regelmäßige Treffen, bei denen Unternehmer und Verwaltungsvertreter miteinander ins Gespräch kommen. Doch solche Formate sind bislang die Ausnahme, dabei wären sie auf Kreisebene dringend nötig. Informationsveranstaltungen, gemeinsame Workshops oder Wirtschaftsdialoge könnten Missverständnisse abbauen, Transparenz schaffen und das gegenseitige Verständnis fördern. Die Wirtschaft ist bereit, sich zu beteiligen, wenn sie ernst genommen wird.
Öffentlich-private Partnerschaften als Hebel
Auch Public-Private-Partnership-Modelle (PPP) könnten zur Lösung beitragen. Ob bei der Entwicklung von Gewerbeflächen, dem Ausbau digitaler Infrastruktur oder bei Mobilitätsprojekten: Wenn Kommunen und Unternehmen an einem Strang ziehen, lassen sich Projekte effizienter realisieren. Entscheidend sind klare Rahmenbedingungen, transparente Prozesse und eindeutig geregelte Zuständigkeiten.
Impulse für eine neue Verwaltungskultur
Der Appell der Unternehmen lautet: Es braucht mehr Pragmatismus, mehr Dialog und mehr Tempo. Nicht jede Vorschrift ist unantastbar, nicht jede Genehmigung muss Monate dauern. Stattdessen sollte die Verwaltung als Serviceanbieter für eine aktive und leistungsfähige Wirtschaft verstanden werden. Der Rhein-Lahn-Kreis hat viele engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer. Damit sie investieren, Arbeitsplätze schaffen und Innovationen vorantreiben können, benötigen sie eine Verwaltung, die ihnen keine Steine in den Weg legt, sondern sie auf ihrem Weg begleitet.