Wer in der Energiezukunft künftig mitspielen will, muss rechtzeitig die richtigen Weichen stellen, sonst schnellt der Zug in atemberaubendem Tempo an einem vorbei. Weichenwärter der Stadt Bendorf im Team von Bürgermeister Christoph Mohr sind Fachbereichsleiter der Stadtentwicklung Werner Prümm und Mitarbeiterin Claudia Braun. Sie sind visionär und wollen die Stadt Bendorf zu einem Vorreiter im Bereich Wasserstofftechnologie machen. Der Plan: den Ölhafen in einen Wasserstoff-Umschlagplatz und die Region als Wasserstoffquelle zu etablieren. Die Zwei sind hoch ambitioniert und erfahren enorm viel Rückhalt aus der Region.
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr hatte zum zweiten Mal den Wettbewerb „HyLand - Wasserstoffregionen in Deutschland“ ausgerufen. Zusammen mit 65 weiteren Kommunen aus ganz Deutschland bewarb sich die Stadt Bendorf mit dem Konzept, den Hafen zu transformieren. 15 Kommunen erhielten den Zuschlag und dürfen sich jetzt HyStarter nennen. Darunter auch Bendorf. „Hy“ ist die Abkürzung für hydrogen, dem englischen Wort für Wasserstoff. Und HyStarter bedeutet mehr oder weniger, dass mit Unterstützung vom Bund eine Art Machbarkeitsstudie durchgeführt werden kann, um zu ermitteln, ob die Bewerber Potenzial haben, Wasserstoffregion zu werden.
„Potenzial ist definitiv vorhanden“, ist Bürgermeister Christoph Mohr überzeugt. „Das haben die Gespräche und Initiativen innerhalb der Projektzeit deutlich gezeigt.“ Vor einem Jahr begann mit der Auftaktveranstaltung der HyStarter-Prozess. Wir haben das Projekt vorgestellt und nach Mitstreitern gesucht“, erzählt Werner Prümm. Über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren bekommen wir von einem Berliner Unternehmen eine fachliche und organisatorische Begleitung, um belegen zu können, dass unsere Ideen umsetzbar sind.“ Und Claudia Braun gibt zu: „Anfangs hatten wir sehr rudimentäre Kenntnisse zum Thema Wasserstoff, doch mittlerweile können wir uns auf Augenhöhe mit Experten austauschen.“
Während der Projektlaufzeit müssen sechs Workshops mit Akteuren aus der Region durchgeführt werden, die bereits alle stattgefunden haben. Partner zu finden, war überhaupt kein Problem. Das war ein Selbstläufer“, so Braun. Bereits bei der Auftaktveranstaltung herrschte reges Interesse. Unternehmen und Akteure sind von sich aus auf uns zugekommen. Wir haben sofort gespürt, dass das ein Thema in der Region ist.“ Der Hype wurde noch größer, als Energie immer knapper wurde“, ergänzt Prümm. Nicht nur Bendorfer Unternehmen sind Partner geworden. Durch die Förderung konnte Bendorf auch aktiv über die Stadtgrenze hinaus Kontakte knüpfen.
Über das besondere Engagement zweier Bendorfer Firmen ist Bürgermeister Mohr besonders froh. „Wir als Stadt können nur die Rahmenplanung setzen, die Infrastruktur vorhalten und Kontakte vermitteln, investieren dürfen wir nicht. Klimaschutz ist eine freiwillige Leistung und die sieht der Haushalt leider nicht vor“, bedauert er. Über Investitionen denken jedoch die Speditionsfirma Normann und das im Bendorfer Hafen beheimatete Tanklager Oiltanking, eine Tochter der Mabanaft Gmbh & Co. KG nach.
Andreas Normann hat mit der Firma GP-Joule, deren Fokus erneuerbare Energien sind, die Firma Hy. Bendorf gegründet mit dem Ziel, Wasserstoff zu produzieren und zu vertreiben. Geplant ist eine Wasserstofftankstelle, die auf dem Gelände der Spedition erstehen soll, um nicht nur seinen Fuhrpark künftig mit Wasserstoff betanken zu können.
Die Firma Mabanaft zeigte sich sehr interessiert an dem Projekt HyStarter und ist begeistert von den Aktivitäten. So sehr, dass sie eine eigene Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben hat, um zu prüfen, ob ihr 150 000 cbm großes Tanklager umrüstbar ist als Lager- und Logistikstandort für Wasserstoff. „Als wir mit der Idee gestartet sind, den Ölhafen zu transformieren, war uns nicht klar, dass jemand wie die Firma Mabanaft unseren Weg mitgehen würde“, sagt Prümm. „Das ist ein schönes Zwischenergebnis, dass sich Mabanaft diesem Thema stellt. Sie prüfen derzeit alle möglichen Wege - ob sie hier selbst Wasserstoff herstellen oder Derivate wie Ammoniak per Binnenschiff aus Hamburg bringen lassen würden.“ Wenn Hy Bendorf und Mabanaft mitmachten, so Braun, dann könnte man anfangen, die Industrie zu bedienen, denn handfestes Interesse würde bestehen. „Wir spüren die Sorge bei Unternehmen deutlich. Es wird klimaneutrale Energie benötigt, um Produkte herstellen zu können, die clean sind. Deshalb ist Wasserstoffenergie als Prozessenergie vielfach gefragt.“ Wirtschaftlich gesehen ein Standortfaktor, der nicht zu unterschätzen ist und existenziell für einige Firmen.
Die Abschlussveranstaltung ist am 27. September, dann wird der Bericht vorgestellt. Bürgermeister Mohr ist sich jetzt schon sicher: „Wir können Wasserstoffregion werden!“ Um im Anschluss an die Machbarkeitsstudie das Thema weiter zu treiben, werden aktuell Gespräche geführt, unter anderem steht ein Termin im Ministerium in Mainz an. Die Pluspunkte sind bereits enorm: der Hafen bietet logistische und baurechtliche Vorteile, die Nähe zur Mittelrheintransportgasleitung, die ab 2030 Wasserstoff transportieren soll, ist nah. Wohngebiete in Bendorf-Süd könnten mit der Abwärme aus der Elektrolyse versorgt werden. Petra Dettmer