Das einzige 5G-Campus-Netz im Umkreis von 100 Kilometern befindet sich an der Hochschule Koblenz. Wir sprachen mit Prof. Dr. Wolfgang Kiess, Fachbereich Ingenieurwesen und Direktor des Interdisziplinären Instituts für Digitalisierung (IIFD) über 5G und wozu man es benötigt.
Wofür braucht man 5G?
Kiess: „Ich finde es immer spannend, wenn ich gefragt werde, wofür man 5G braucht. Das ist so, als ob jemand fragt, ,wozu brauche ich Elektrizität?' oder was nutzt ein Internetanschluss?'. Eine Steckdose in der Wand oder der DS-Lund WLAN-Router zuhause hat ja für sich allein betrachtet keinen Wert. Es ist aber gleichzeitig Voraussetzung für unser komplettes modernes Leben. Durch elektrische Geräte wie Föhn, Toaster, Licht oder die Anwendungen, welche den Zugang zum Internet nutzen, wird es wertvoll. Heute ist alles vernetzt, das gesamte private Leben von Kommunikation über Bankanwendungen bis zur Unterhaltung läuft auf dem Smartphone, ohne mobile Vernetzung funktioniert das nicht. Das sieht man immer mehr auch in der Industrie, dort nennt sich das IIoT - Industrial Internet of Things. Datenaustausch ist auch in der Industrie elementar geworden. Verschiedene Dinge wie Sensoren, Aktoren, Elemente oder Fahrzeuge können Daten austauschen. Die Datenraten der Anwendungen, ob privat oder in der Industrie, werden nun immer höher und dafür braucht man eben 5G.“
Woran forschen Sie im 5G-Campus-Netz-Labor an der Hochschule?
Kiess: „Es geht natürlich um 5G, aber das ist nur eine Komponente in unserem Technologiebaukasten. Primär geht es um Vernetzung von Dingen, Maschinen und Fahrzeugen. Unser Fokus liegt dabei auf drahtloser Technologie, das reicht von energiesparsam und kostengünstig bis hin zu hohen Datenraten bei höheren Kosten und Technologien, die erst nach 2030 im Rahmen von 6G zum Einsatz kommen werden.“
Wo kann man diese 5G-Vernetzung finden?
Kiess: „Zuallererst natürlich in den landesweiten Netzen der großen Netzbetreiber, diese erreichen ja mittlerweile 95 Prozent der Bevölkerung und somit eben auf dem eigenen Smartphone. Daneben gibt es aber auch sogenannten 5G Campusnetze, also private Netze die jede Firma mit eigener Hardware und eigenen Frequenzen aufbauen kann. Und diese 5G Netze können in jeder größeren Halle oder Gebäude, in jeder Firma, in Hochschulen, Krankenhäusern genutzt werden. Eben überall dort, wo WLAN eingesetzt wird, um Daten auszutauschen.“

Wird 5G das WLAN ersetzen?
Kiess: „Nein, WLAN wird bleiben. Wenn ein Unternehmen aber immer mehr mobile Applikationen verwendet - Handscanner, Barcodescanner, die Anbindung von Tablets der Mitarbeiter um etwa Handbücher herunterzuladen und so weiter - dann steigt das Datenaufkommen, WLAN kommt an seine Kapazitätsgrenzen und die Anwendungen werden immer langsamer. Das kennt man von zu Hause, wenn abends alle Netflix nutzen, weil alle auf denselbenlizenzfreien WLAN-Frequenzen funken und die Netze sich gegenseitig ins Gehege kommen, weil sie nicht koordiniert sind. Wenn man also einen verlässlichen Datenaustausch ohne Kollisionen mit Nachbarnetzen haben will, dann ist ein eigenes 5G-Netz das richtige. Die Frequenzen dafür bekommt man auf Antrag gegen eine geringe Gebühr bei der Bundesnetzagentur, die Kosten für das Netz der Hochschule liegen etwa über einen Zeitraum von 10 Jahren bei insgesamt etwa 1000 Euro.“
Für wen ist es sinnvoll?
Kiess: Für jede Firma, die ein WLAN-Netz hat und Bedarf an mobiler Vernetzung. Ein 5G-Netz ist aktuell noch relativ teuer, sodass es eher etwas für Firmen ist. Ungefähr 10 bis 30 Mal teurer als eine WLAN-Installation. Nötig wird 5G, sobald Sie eine Anwendung haben, die mobil ist, bei der die Geräte sich mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegen, die Datenverbindung eine gewisse Qualität braucht oder ein großes Gebiet abgedeckt werden muss. Die ersten Nutzer solcher Netze sind deswegen Häfen und Flughäfen, große Chemieanlagen, Messegelände sowie große Produktionsbetriebe, mittlerweile aber auch schon Kliniken. Mit WLAN kann man solche großen Flächen nicht sinnvoll abdecken. Da braucht man ein lokales 5G-Netz.“
Werden solche 5G-Campusnetze einmal weit verbreitet sein?
Kiess: „Auf jeden Fall. Mittel- bis langfristig werden größere Produktionsstandorte mit 5G ausgerüstet. Das bedeutet im zweiten Schritt, dass Zulieferer dieser Standorte etwa im Bereich Automation oder Anlagenbau ihre Produkte in ein solches 5G-Netz einbinden können müssen. Das betrifft sicher viele Firmen in der Region. Es kann so kommen, dass in Ausschreibungen stehen wird, egal, was geliefert wird, es muss sich ins 5G-Netz einbinden lassen.“
In einem Umkreis von 100 Kilometern befindet sich das einzige 5G-Campus-Netz an der Hochschule Koblenz. Wie können Sie die Region unterstützen?
Kiess: „Kurz gesagt: Wir haben Erfahrungen mit der Technologie, wir haben ein Netz, wir haben die Hardware im Labor und wir sind neutral. Wir wissen, wie man es aufbaut und wir wissen, was alles nicht funktioniert. Die Verfügbarkeit kompatibler Endgeräte ist zum Beispiel aktuell noch schwierig. Mit diesem Wissen können wir Firmen unterstützen, die sich gerne an uns wenden können und die wir beraten. So haben wir zum Beispiel für eine Firma gemessen, wie viele 5G Access Points sie benötigt, um eine Produktionshalle abzudecken. Erstaunlicherweise werden dort für eine grundlegende Abdeckung nur 4 dieser Verbindungspunkte benötigt.“
Woran forschen Sie noch?
Kiess: „Ein spannendes Projekt ist der Bau einer Technologieplattform für resiliente, also hoch verfügbare und sichere Netze für das Internet der Dinge. So etwas kann man einsetzen, um etwa Pegel zu überwachen und so über Sturzfluten informiert zu sein. Die Motivation dahinter: es kann immer mal ein Funkmast ausfallen, ein Hackerangriff gegen das Funknetz geben oder der Klassiker, ein Kabel wird durchgebaggert. Wenn dann das Netz über zwei Tage nicht verfügbar ist und es regnet, kann man eine noch so tolle Flutwarnapplikation haben, diese wird nicht funktionieren. Unsere Plattform hingegen ist über zwei drahtlose Netze gleichzeitig angebunden und könnte dann immer noch über die zweite drahtlose Möglichkeit kommunizieren.“
Daneben denken wir über mobile 5G-Netze nach, die nomadisch sind, um zum Beispiel beim Straßenbau die Überwachung der erreichten Fahrbahnqualität zu verbessern oder in der Landwirtschaft die Erntekette zu unterstützen. Diese Netze haben vielleicht eine Reichweite von zwei Kilometer, sind transportabel und können so mitgenommen und dort eingesetzt werden, wo sie gebraucht werden.
Gibt es noch weitere Projekte?
Kiess: „Ja, zum Beispiel glauben wir ja nicht, dass WLAN durch 5G ersetzt wird. Es wird stattdessen eine Kombination der Technologien geben. Die verschiedenen Netze müssen kombiniert werden. Nur wie arbeiten diese intelligent und nutzbringend zusammen? Das ist eine große Fragestellung, der wir uns in der Forschung widmen.“ Petra Dettmer
Kurz erklärt
• 5G bezeichnet die fünfte Mobilfunkgeneration und ist damit direkter Nachfolger von 4G. Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet die Technik ein deutlich schnelleres mobiles Netz und eine wachsende Zahl vernetzter Geräte im alltäglichen Umfeld.
• 5G ist seinem Vorgänger 4G in vielerlei Hinsicht überlegen. So steigen die Geschwindigkeiten bei gleichzeitig sinkender Verzögerung während der Datenübertragung.
• Die höheren Übertragungsgeschwindigkeiten verbessern die Effizienz. Zudem ermöglichen die geringen Latenzzeiten Echtzeitkommunikation von Endgeräten und bieten so völlig neue Möglichkeiten Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik.