Der Rhein-Hunsrück-Kreis gilt längst als Vorzeigeregion: starke Unternehmen, eine klare Ausrichtung auf Nachhaltigkeit und eine bemerkenswerte Lebensqualität. Doch wie lässt sich dieser Erfolg sichern - und was braucht es, um in Zeiten von Energiewende, Digitalisierung und Fachkräftemangel zukunftsfähig zu bleiben? Thomas Hähn, Vorsitzender des Regionalrats Wirtschaft, erklärt im Gespräch, wie Netzwerke, Kooperationen und neue Ideen die Region voranbringen.

Herr Hähn, was zeichnet den Wirtschaftsstandort Rhein-Hunsrück aktuell aus - und was macht ihn für Unternehmen besonders attraktiv?
Der Rhein-Hunsrück-Kreis ist schon lange kein strukturschwacher Raum mehr - im Gegenteil. Wir haben eine starke mittelständische Wirtschaft, eine hohe Lebensqualität und eine gute Infrastruktur. Die Region bietet Unternehmen ein stabiles Umfeld, engagierte Fachkräfte und eine hohe Identifikation mit dem Standort. Beweis dafür ist auch das Engagement der vielen Unternehmen im Regionalrat Wirtschaft, bei WILDWUCHS und im Rahmen von GELOBTES LAND Projekte, die unsere Region und den Wirtschaftsstandort gestalten und jungen Menschen und Rückkehrenden berufliche Perspektiven aufzeigen. Unsere Region hat Heimkehrpotenzial.
Die Region gilt als beispielhaft in Sachen Nachhaltigkeit und Energiewende. Wie wirkt sich dieser Fokus auf die wirtschaftliche Entwicklung aus?
Nachhaltigkeit ist in der Wirtschaft kein Schlagwort, sondern gelebte Praxis. Die Energiewende ist Teil unserer regionalen DNA - und sie schafft neue Chancen für Unternehmen. Die konsequente Ausrichtung auf erneuerbare Energien, insbesondere Windkraft und Photovoltaik, hat nicht nur zahlreiche neue Arbeitsplätze in Installation, Wartung und Betrieb geschaffen, sondern auch die lokale Wertschöpfung signifikant erhöht. Kommunen profitieren von Pachtzahlungen und steigenden Gewerbesteuereinnahmen, die Menschen vor Ort von Projekten der Daseinsvorsorge, die durch diese Gelder umsetzbar wurden.
Wenn nun die neu gegründete Energiegesellschaft Rhein-Hunsrück ihre Arbeit aufnimmt und durch Direktstromlieferungen Industriebetriebe mittels eines lokalen Strombilanzkreises versorgen kann, können regenerative Energien im Direktbezug vor Ort verbraucht werden. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Autarkie, Kostenersparnis und regionaler Wertschöpfung.

Das Kreisentwicklungskonzept zielt auf Zukunftsfähigkeit. Welche wirtschaftlichen Weichenstellungen halten Sie dabei für besonders entscheidend?
Wir müssen den erreichten Standard sichern - das ist angesichts der parallelen Transformationen der Dekarbonisierung, Digitalisierung und demografischen Veränderung eine Herausforderung. Deshalb setzen wir auf drei Säulen: Bestand, Ansiedlung und Neugründung. So bleibt Fachkräftegewinnung zentrales Thema - durch Bildung, Vernetzung und Standortmarketing. Der Kreis muss aktiv Unternehmen ansprechen und die Ansiedlungen fördern, die zur regionalen Struktur passen. Ein gesundes Gründerökosystem ergänzt dies, hier muss gezielt unterstützt, Wege müssen kurzgehalten und Innovationen Raum gegeben werden. Basis von alle dem, ist ein starkes Netzwerk vor Ort.
Wie gelingt es, die Innovationskraft in der Region zu stärken - insbesondere im Zusammenspiel von Mittelstand und jungen Unternehmen?
Innovation entsteht dort, wo Erfahrung und frische Ideen aufeinandertreffen. Unser Ziel ist es, den Mittelstand für neue Impulse zu öffnen - und jungen Unternehmen und Gründenden den Zugang zu etablierten Strukturen zu erleichtern. Durch Kooperationen entstehen Wachstumspotentiale, innovative Produkte und Dienstleistungen sowie wertvoller Wissensaustausch.
Aber Innovationen brauchen auch entsprechende Rahmenbedingungen: Finanzielle Anreize, Zugang zu Forschung und Entwicklung, der Ausbau geeigneter Infrastrukturen und gezielte Qualifizierungsmaßnahmen sowie vor allem Bürokratieabbau und kurze, schnelle Entscheidungswege, um neue Ideen nicht auszubremsen und eine agile Umsetzung zu ermöglichen.
Gerade für Start-ups und Gründer entsteht ein zunehmend aktives Netzwerk. Welche konkreten Unterstützungsangebote gibt es - und wie wirken sie?
Die Gründerszene im Rhein-Hunsrück-Kreis wurde vor allem durch die regelmäßigen Netzwerktreffen im Rahmen von GELOBTES LAND zusammengeführt und gefördert. Die LEADER-Förderung unterstützt mehrere innovative Projekte im ländlichen Raum, was besonders jungen Unternehmen zugutekommt. Zudem vermittelt der Regionalrat Kontakte zu erfahrenen Unternehmern. Ergänzt wird dies durch Angebote unserer Partner, wie der IHK und der HwK, die explizit bei einer Existenzgründung beraten sowie durch Förderungen vom Land und der ISB. Ziel ist es, auch die Verwaltungen vor Ort zu sensibilisieren, denn gerade in der Gründungsphase sind schnelle Abwicklungen und Prozesse unabdingbar.
Ein starkes Thema ist der Breitbandausbau. Was bedeutet die flächendeckende Gigabitversorgung für Unternehmen im ländlichen Raum?
Digitale Infrastruktur ist heute genauso wichtig wie Straßen und Strom. Der Glasfaserausbau ist ein echter Standortvorteil. Der Landkreis versorgt, unterstützt durch Fördergelder von Bund und Land, die sogenannten „weißen“ und „hellgrauen Flecken“, damit auch Haushalte und Unternehmen, deren Erschließung aufgrund ihrer Lage für den eigenwirtschaftlichen Ausbau der Telekommunikationsunternehmen nicht rentabel ist, mit Glasfaser versorgt werden. Das soll bis 2027 abgeschlossen sein. Schnelles Internet ermöglicht Homeoffice, Cloudlösungen und digitale Geschäftsmodelle auch im Rhein-Hunsrück-Kreis.
Digitalisierung und Transformation verändern viele Geschäftsmodelle. Wie unterstützt der Regionalrat Unternehmen dabei, diesen Wandel zu meistern?
Transformation ist kein Schlagwort, sondern Realität. Dazu haben wir uns als Regionalrat mit den Wirtschaftsförderungen der Landkreise Birkenfeld, Mainz-Bingen und Bad Kreuznach sowie mit der Agentur für Arbeit Bad Kreuznach sowie Gewerkschaften und dem rheinland-pfälzischen Arbeitsministerium ausgetauscht und entschieden, ein Transformationsnetzwerk Rhein-Nahe-Hunsrück aufzubauen, mit Unterstützung der Transformationsagentur RLP.
Das Netzwerk soll insbesondere den Unternehmen und ihren Beschäftigten zur Verfügung gestellt werden. So gab es bereits verschiedene Veranstaltungen, um den Unternehmen einen Werkzeugkasten an die Hand zu geben, damit Prozesse der Transformation besser zu meistern sind. Im Fokus stehen hierbei die Themenfelder Fachkräftesicherung, Digitalisierung und Energiewende.
Darüber hinaus bieten wir als Regionalrat Wirtschaft unseren Mitgliedern immer wieder Veranstaltungen, digital und auch vor Ort, um Themen der Digitalisierung oder der veränderten Arbeitswelt aufzugreifen. Zuletzt haben wir zum Beispiel den Bereich Digitalisierung im Handwerk und Cyber Security beleuchtet.
Der Arbeitsmarkt steht schon heute vor großen Herausforderungen wegen eines Mangels an Arbeitskräften. Zuwanderung ist hier ein Thema: Wo sehen Sie die Potentiale für die Unternehmen in der Region?
Zuwanderung ist einer, wenn nicht der entscheidende Baustein zur Lösung des Arbeitskräftemangels. Auch wenn sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt derzeit konjunkturbedingt entspannt hat, möchte ich gar nicht wissen, wie es ist, wenn die Wirtschaft wieder anzieht. Woher kommen dann die Fachkräfte? Wir haben es auf unserer Jobmesse für Zugewanderte im Frühjahr gesehen: Da stellen sich Unternehmen einen ganzen Nachmittag in die Hunsrückhalle und greifen förmlich nach jedem Strohhalm, um Mitarbeiter zu finden.
Dennoch ist es wichtig, dass auch hier die entsprechenden Weichen gestellt werden, dass zum Beispiel spezielle Sprachkurse für Azubis und Mitarbeitende angeboten werden, Anerkennungsverfahren vereinfacht und die Integration auch in der Gesellschaft gelebt wird, denn Menschen müssen sich auch willkommen fühlen.
Wenn Sie fünf Jahre in die Zukunft blicken - was soll sich im Rhein-Hunsrück-Kreis aus wirtschaftlicher Sicht spürbar verändert haben?
Ich wünsche mir, dass wir sagen können: Wir gestalten den Wandel nicht nur, sondern bewältigen ihn mit Offenheit, Kooperation und regionaler Stärke. Wir müssen in unserem Land wieder mehr Mut haben, mehr investieren und dafür muss die Politik die entsprechenden Weichen stellen. In fünf Jahren sollten wir sagen: Comeback Germany-das hat geklappt! red