Aufgewachsen ist die gebürtige Westerwälderin selber mit Pferden, Kaninchen, Hunden, Katzen. So wurde schon früh die Freude an Tieren geweckt. In Westerburg hat sie zunächst die Realschule besucht, bevor sie dann auf das Konrad-Adenauer-Gymnasium ging. Dort absolvierte sie 2010 ihr Abitur. Noch im selben Jahr begann sie mit dem Studium der Tiermedizin an der Universität in Wien. Der Studiengang und der Beruf seien „weiblich“ geprägt. „Nur rund 10 Prozent der Studierenden sind männlich“, erklärt sie. Im Anschluss an ihr Studium sammelte sie an der Tierklinik in Betzdorf reichlich Berufserfahrung.
„Ich habe dort viel gelernt, zumal wir dort Patienten behandelten, denen die ‚Hausärzte‘ nicht weiterhelfen konnten“, berichtet die Tierärztin. Dort lernte sie auch ihre heutige (erste) Mitarbeiterin Annika Schweisfurth kennen, die zusammen mit ihr nach Westerburg wechselte. Das bedeutet, hinter der „starken Frau“ stehen noch drei weitere. Neben Sarah Wagner ist noch eine weitere Tierärztin angestellt - Sandra Herrmann. Sie unterstützt mit den Tiermedizinischen Fachangestellten Annika Schweisfurth und Michelle Stricker die Praxis mit viel Frauenpower. Jede mit ihrem eigenen Schwerpunkt und sehr harmonisch, wie Sarah Wagner betont.
Bereits mit zehn Jahren durfte Sarah Wagner einen Tierarzt begleiten, um einen Einblick in den Beruf zu bekommen. „Das Schlimmste für mich war immer, wenn man nicht helfen konnte.“ Das hat sie geprägt und bewogen, Tiermedizin zu studieren. Bei den frühen Tierarztbesuchen habe sie auch die andere Seite des Berufes kennengelernt. Sie wusste bereits vor dem Studium, auf was sie sich einlässt. Unterschätzt habe sie allerdings die menschliche Komponente. Die Ansichten von Herrchen und Frauchen und deren Wunsch, das Tier mit „nur einer Spritze“ zu heilen. Solch ein Wundermittel gäbe es leider nicht.
Die heutige Tiermedizin erlaubt eine Vielzahl an Diagnostik, um das Problem gleich bei der Wurzel zu packen. Dies kann schon mal sehr aufwendig und kostenintensiv und für alle Beteiligten ein wenig frustrierend sein, ist jedoch nötig, um dem Tier auch langfristig helfen zu können. Bei der kritischen Betrachtung ihres eigenen Berufsstandes resümiert sie: „24/7 geht nicht mehr. Tierärzte stehen oft am Rande der Machbarkeit.“
„Es war ein holpriger Weg in die Selbstständigkeit.“ Dennoch eröffnet sie am 2. Dezember 2019 – nach Monaten der Renovierung - in der Bahnhofstraße 28 in Westerburg ihre Heim- und Kleintierpraxis und freute sich, in ihrer alten Heimat den Schritt in die Selbständigkeit verwirklicht zu haben. Dann kam Corona. „Da haben wir schon ein paar Mal nach Luft geschnappt. Gerade erst eröffnet und dann noch als unbekannte Praxis. Das war schon eine Herausforderung.“
Doch heute platzt die Praxis räumlich gesehen aus allen Nähten. Ob es eine Besonderheit als Tierärztin gibt, beantwortet sie wie folgt: Sie mache keine Hausbesuche bei Menschen, die sie nicht kenne. Das ist vielleicht ein Unterschied zu Männern, die das nicht kümmern muss. Außerdem hat Sarah Wagner das Gefühl, dass man als Frau immer noch einen Ticken besser sein müsse als ihre männlichen Kollegen, denen von Haus aus manchmal mehr Respekt entgegengebracht würde. Die zierliche Frau meint: „Ich musste mir ein gewisses Auftreten erst zulegen.“
Ein Gutes habe es auf alle Fälle, eine Frau zu sein: „Hunde haben häufiger Angst vor Männern“, sagt sie schmunzelnd und macht sich wieder an die Arbeit. Doris Kohlhas