Neuproduktion von „Werther” zu erleben in Koblenz

Diese Neuproduktion von „Werther” erzählt die Geschichte von zwei Menschen, die sich erst finden, als es längst zu spät ist, und von einer Welt, die Gefühle gern als Schwäche betrachtet.

11. Dezember 2025

31.01. bis 10.04.

DRAME LYRIQUE VON JULES MASSENET
DICHTUNG VON ÉDOUARD BLAU, PAUL MILLIET UND GEORGES HARTMANN
NACH JOHANN WOLFGANG VON GOETHE
IN FRANZÖSISCHER SPRACHE MIT DEUTSCHEN ÜBERTITELN

Es ist Sommer in einer westdeutschen Kleinstadt der 1980er Jahre. Zwischen Reihenhäusern, Pfarrfesten und gepflegten Vorgärten taucht ein junger Mann auf, der nicht dazugehört. Werther. Er sieht Dinge, die andere übersehen, und spricht über Gefühle, von denen hier niemand hören will. 

Charlotte, die älteste Tochter des Amtmanns Le Bailli, hat ihrer Mutter auf dem Sterbebett versprochen, sich wie eine Mutter um ihre sieben Geschwister zu kümmern und Albert zu heiraten. Ein Leben ohne große Ausschläge, verlässlich und geordnet. Und dann kommt Werther mit seinen Büchern, seinen Fragen und seiner rückhaltlosen Offenheit und Unruhe. Zwischen beiden entsteht eine Nähe, die keiner von beiden gesucht hat und die sie dennoch nicht mehr werden loslassen können.

Mit „Werther” schuf Jules Massenet eine der eindringlichsten Opern des späten 19. Jahrhunderts. Das Werk ist genial instrumentiert, psychologisch genau, voller musikalischer Eleganz und existenzieller Tiefe. Massenet übersetzte die Form des Briefromans, wie er sie in Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ vorfand, in musikalische Bewegung. Die intensive Melodik und die fein gearbeitete Orchestrierung verleihen dem Werk eine psychologische Tiefenschärfe, durch die die seelischen Spannungen der Figuren unmittelbar hörbar werden. 

Diese Oper ist die seelische Anatomie Werthers, der zu viel fühlt, und Charlottes, die zu spät begreift, dass sie schon seit langer Zeit das verloren hat, was ihr im Leben wirklich wichtig sein müsste.

In der Koblenzer Inszenierung treffen Massenets poetische Klangräume auf die Ästhetik einer Zeit, in der Gefühl und Kontrolle in scharfer Spannung standen: die 1980er Jahre, in denen der Individualismus wächst, die sozialen Rollen aber noch starr sind. Jeansjacken, Kassettenrekorder, Familienfeste: eine Welt zwischen Sehnsucht und Stillstand. Auch hier passt Werther nicht hinein. 

Regisseur Markus Dietze und Dirigent Marcus Merkel lesen das Werk nicht als romantische Schwärmerei, sondern als präzise musikalische Studie emotionaler Überforderung. Die Inszenierung greift auf jene hybride Formensprache zurück, mit der das Koblenzer Team in den letzten Jahren neue theatrale Perspektiven eröffnet hat. Musiktheater, Puppenspiel und Video verdichten sich zu einer Erzählung, in der sich Innenleben und Außenwelt wechselseitig durchdringen. 

Mit Piotr Gryniewicki als Werther und Danielle Rohr als Charlotte stehen zwei Sängerdarsteller:innen im Mittelpunkt, die die feinen emotionalen Nuancen ebenso wie die eruptiven Ausbrüche dieser Partien ausloten. 

Diese Neuproduktion von „Werther” erzählt die Geschichte von zwei Menschen, die sich erst finden, als es längst zu spät ist, und von einer Welt, die Gefühle gern als Schwäche betrachtet. Und sie zeigt, auf musikalisch zutiefst berührende Art und Weise, dass man niemandem verbieten kann, das Richtige zur falschen Zeit zu fühlen.

Musikalische Leitung
Marcus Merkel

Inszenierung
Markus Dietze

Bühne
Bodo Demelius

Kostüme
Astrid Noventa