Drei Menschen sitzen auf der Tribüne, sie schauen neugierig gerade aus. Wenn man das Trittpedal bedient, wenden sich ihre Blicke im Wechsel gespannt nach links und rechts. „Wimbledon“ heißt diese kleine faszinierende Komposition aus Papierfiguren und einer Mechanik, die für die Bewegung sorgt. Mehr als 150 Objekte dieser und ähnlicher Machart befinden sich im Besitz von Annemarie und Jörg Wendel, die seit 2022 in Rüdesheim am Rhein das Museum Mechanicum betreiben.

Genauso beeindruckend wie die kleinen und großen Kunstwerke, die ausgestellt werden, ist das Gebäude, im dem man sie bestaunen kann: Es sind die ehemaligen Büro- und Repräsentationsräume der „Asbach“-Villa auf dem Gelände, wo einst der legendäre und älteste deutsche Weinbrand Asbach Uralt hergestellt wurde. Auf zwei Etagen in diesem Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert mit knarzenden Holztreppen und bunt verzierten Fenstern hat das Ehepaar Wendel ab 2019 begonnen eine Ausstellung zusammenzustellen, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Die Objekte stammen von Künstlern und Hobbytüftlern aus der ganzen Welt.

Wer im Erdgeschoss mit seinem Museumsbesuch beginnt, stößt gleich im ersten Ausstellungsraum auf ein Kuriosum: ein selbstspielendes Orchestrion mit bewegten Bildern aus dem Jahr 1910. Werden hier die entsprechenden Hebel in Bewegung gesetzt, spielt ein Instrumentenorchester aus Klavier, Xylophon, Pauke, Trommel, Becken, Mandoline und Glockenspiel ein Lied, das bis in die Flure der unteren und oberen Etage hineinklingt. Der Weg des Besuchers führt weiter durch eine Ausstellung mit antiken Puppenfiguren in einer Vitrine, die man teils selbst per Knopfdruck oder Pedal bedient. Einige Objekte sind so fragil, dass ein QR-Code zugefügt wurde, der zu einem animierten Video führt und die Funktionsweise illustriert. Die meisten Ausstellungstücke betätigen die Besucherinnen und Besucher allerdings selbst. Genau das macht auch die Faszination und den Erlebnischarakter dieses Kleinods im Mittelrheintal aus. Man drückt auf einen Knopf, tritt auf ein Pedal oder kurbelt einen Hebel und wartet ab, was passiert.
Mal sind es nickende Köpfe, mal ein kraftmeiernder Herkules, der ein Gewicht hebt, mal Figuren im Zirkus, die Kunststücke vollbringen oder wie beim Kunstwerk „(S)Low Tech“: Man bedient eine Kurbel und wie beim Zahnrad greifen die am Objekt befestigten Teile – Räder, Speichen, Autospiegel etc. – ineinander und bewegen sich. Dieses große Objekt veranschaulicht die Technik, die hinter all den ausgestellten Stücken steckt: die Mechanik als Lehre von Bewegung und Verformung von Körpern sowie den dabei wirkenden Kräften und die Kinetik als Änderung von Bewegungsgrößen unter Einwirkung von Kräften.
Objekte zum Staunen, Lachen und Nachdenken
Die Besucher des Museums, unmittelbar am Rhein und in Bahnhofsnähe gelegen, dürfen sich auf eine abwechslungsreiche Ausstellung mit vielen Überraschungsmomenten freuen. Das macht dieses Unikum vor allem aus: dass man nicht weiß, was passiert, wenn man Pedal, Hebel oder Knopf bedient. Mal muss man schmunzeln, mal lachen, mal staunen über die fein verbaute Ironie, wie sie beispielsweise dem Künstler Ralf Brüssel in der Sonderausstellung „Mechanische Objekte“ mit seinem Krabbeltier Tante Rella aus Alltagsgegenständen oder der Konfetti-Produktionsanlage gelingt. Zum Nachdenken regt die Sammlung „Automaten gegen den Krieg“ an mit Werken verschiedener Künstler anlässlich des zweiten Golfkriegs Ende der 90ger Jahre. Einmalige Exponate, aktueller denn je.
Wer nicht nur die Erinnerung an das Mechanicum mit nach Hause nehmen möchte, sondern auch gleich selbst mal tüfteln will, der stoppt im Museumsshop, wo es Bausätze für Hobbybastler gibt. Susanne Hoffmann
Mechanicum, Asbachgasse
Täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet
Am Rottland 6
65385 Rüdesheim am Rhein
https://mechanicum-asbachgasse.de/