Die Forschung in Andernach wird von der Bill- und-Melinda-Gates-Stiftung gefördert

Stellen Sie sich vor, die nächste Pandemie kommt und es gibt keine Impf-Warteschlangen vor den Arztpraxen. Es braucht sogar keine Impfzentren. Jeder könnte sich zu Hause selbst impfen. Kein Piks mehr, keine Kühlketteneinhaltungen mehr. Und es wäre auch für Impfungen wie Influenza, Tetanus, Masern-Röteln oder Hepatitis B einsetzbar. Ein Traum? Nein. In Andernach wird ein Mikronadel-Pflaster entwickelt, das über die Haut, die Wirkstoffe in den Körper transportiert und entscheidet, wann sie frei gesetzt werden.
Die Firma LTS Lohmann Therapie-Systeme AG produziert bereits seit Langem transdermale Pflaster. Den meisten bekannt in der Anwendung als Schmerzpflaster oder Nikotinpflaster. Die Wirkstoffe werden über die Haut in den Körper transportiert.

Innovatives Pflaster
Vakzine, mRNA oder Biologika sind jedoch so große Moleküle, dass sie nicht über die herkömmlichen Pflastern durch die Haut transportiert werden können. Aus diesem Grund entwickelt LTS ein neues Pflaster: das Mikronadel-Array-Patch (MAP). Auf dem Pflaster befinden sich bis zu 600 Nadeln pro cm2, die sehr dünn sind und in denen sich die Wirkstoffe befinden. Klebt man das Pflaster auf Arm oder Bein, durchdringen die Nadeln absolut schmerzfrei die Haut. Unter der Haut ösen sich die Nadel auf und können mit Hilfe der applizierten mRNA oder Vakzine, den Körper nun dazu animieren, Antikörper zu bilden oder aber therapeutisch wirksame Mengen der Biologika in die Blutbahn bringen.
Einzige Firma mit Herstellererlaubnis
Zugelassen sind die genialen Pflaster noch nicht. „Wir brauchen sicherlich noch fünf bis sieben Jahren bis zur Zulassung, wenn es mit den notwendigen Studien gut läuft“, sagt Dr. Frank Theobald, Leiter der MAP-Proramms. „Wir sind jedoch die einzige Firma in Europa mit einer Herstellererlaubnis.“ Selbst in den USA ist die Forschung auf diesem Gebiet nicht weiter fortgeschritten, obwohl Technologie dort durch staatliche Programme besser gefördert werden als in Europa. Das Potenzial dieser Innovation ist aber nicht unentdeckt geblieben.
4,3 Millionen Dollar von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung
Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung ist von der Technologie begeistert und unterstützt die Forschung mit 4,3 Millionen US Dollar. Sie engagiert sich stark für die Gesundheitsversorgung in Entwicklungsländern, die vor erheblichen Herausforderungen steht. Insbesondere der Zugang zu Impfungen und medizinischen Behandlungen gestaltet sich oft schwierig, da viele Regionen über keine ausreichende medizinische Infrastruktur verfügen. Genau hier setzt die bahnbrechende Innovation der Mikronadel-Pflaster an. Diese kleinen, leicht anwendbaren Pflaster könnten die Art und Weise, wie Menschen in abgelegenen Gebieten Zugang zu Impfungen und Medikamenten erhalten, revolutionieren.
Revolutioniert die Empfängnisverhütung

Besonders wichtig ist der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, dass die innovativen Pflaster zur Empfängnisverhütung für Frauen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen eingesetzt werden können. Der unzureichende Zugang zu Verhütungsmitteln stellt eine erhebliche Belastung für Frauen in diesen Ländern dar. Laut einer Studie aus dem Jahr 2022 hatte eine von 14 Frauen weltweit, die Verhütungsmittel nutzen möchten, keinen Zugang zu ihnen. Dies entspricht einem ungedeckten Bedarf von 162 Millionen Frauen, von denen die meisten in Afrika südlich der Sahara und in Südasien leben. Die Pflaster-Verhütung ist als eine Langzeitanwendung von 6 Monate geplant. Das heißt, die Frau klebt das Pflaster auf die Haut. Nach 15 Minuten kann sie es entfernen. Die Verhütung dauert aber sechs Monate an. Im Vergleich zu anderen bestehenden lang wirkenden Formen kann es selbst verabreicht werden, ist diskret und erfordert keine Besuche bei einem Arzt.
Keine Kühlketten notwendig
Ein weiterer Pluspunkt der Pflaster ist, dass sie keine spezielle Schulung für den Gebrauch erfordern. Jede Person kann sie selbst auftragen, was bedeutet, dass medizinisches Fachpersonal nicht unbedingt anwesend sein muss. Mikronadel-Pflaster sind ideal für Regionen, in denen die Kühlketten nicht vorhanden sind wie sie für herkömmliche - Impfstoffe erforderlich sind. Dies ist zusätzlich ein entscheidender Vorteil für Regionen mit eingeschränktem Zugang zu Gesundheitsdiensten.
Hochmoderne Technologie
Die LTS Lohmann Therapie
Systeme AG in Andernach ist ein weltweit führendes Unternehmen in der Entwicklung und Produktion innovativer transdermaler Pflaster und oraler Filme für die pharmazeutische Industrie.
Mit hochmodernen Technologien ermöglicht LTS die effiziente Verabreichung von Medikamenten durch die Haut oder über die Mundschleimhaut, was für viele Patienten eine komfortable Alternative zu herkömmlichen Darreichungsformen bietet.
Durch ihre starke Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowie weltweite Kooperationen spielt die Firma eine zentrale Rolle in der pharmazeutischen Industrie und im Bereich moderner Therapiesysteme.
In den Standort Andernach sind 30 Millionen Euro in ein neues Forschungszentrum investiert worden.

Fotos: Dr. Frank Theobald leitet die Forschungsabteilung für die Mikronadel-Pflaster. „Wir sind davon überzeugt, dass unsere MAP-Technologie nicht länger eine Vision ist, sondern eine echte Alternative für die Verabreichung von kleinen Molekülen, Impfstoffen, biologischen Wirkstoffen und mRNA. Die Fördergelder der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung werden dazu beitragen, die MAP-Technologie weiterzuentwickeln, sie auf die nächste Entwicklungsstufe zu bringen und sie in absehbarer Zeit für Patienten zugänglich zu machen. Sie wird Frauen in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen den Zugang zu einer zuverlässigen und wirksamen Verhütungsmethode ermöglichen und ihre wirtschaftliche Situation verbessern. Das wird sie bei der Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter in ihren Lebensräumen unterstützen.“
Jedes Mikronadel-Pflaster kann bis zu 600 Nadeln pro cm² enthalten, mit einer Nadellänge zwischen 200 und 1000μm.
Das Pflaster lässt sich schmerzfrei und problemlos auf Arm oder Bein kleben. Nach 15 Minuten kann es entfernt werden. In der Zwischenzeit haben sich die Mininadeln aufgelöst und das Medikament bzw. der Impfstoff kann seine Wirkung entfalten.