Vier Gründer sind ihrer Zeit voraus

Das Startup lawcode bietet Software für bald verpflichtende Hinweisgebersysteme an

04. Mai 2022
Vier Gründer sind ihrer Zeit voraus

Innovativ, ihrer Zeit voraus, das sind lawcode (von links): Dominik Lienen, Lukas Hoffmann, Dr. Ubbo Aßmus und Patrick Diede. Foto: lawcode  

Bis zum 17. Dezember 2021 mussten alle EU-Staaten eine Hinweisgeberrichtlinie in nationales Recht umsetzen. Von den 27 Mitgliedstaaten haben 24 dies jedoch verschlafen. Deutschland auch. Ein junges Startup Team aus Koblenz aber nicht! Sie haben bereits im letzten Frühjahr über eine passende Softwarelösung nachgedacht, wie Firmen dieser Pflicht problemlos nachkommen können. Ihre Firmengründung haben sie unkonventionell in einer Eisdiele besiegelt und sich anschließend im Technologie-Zentrum Koblenz angesiedelt. Während die 24 EU-Länder noch einmal einen Aufschub bis zum Dezember 2023 erhalten haben, bietet das vierköpfige Gründer-Team von lawcode bereits jetzt ihre leicht anzuwendende Software „Hintbox“ an, mit der notwendige Meldekanäle eingerichtet werden können.

Wozu eine Hinweisgeberrichtlinie?

Doch was genau steckt hinter dieser Hinweisgeberrichtlinie, von der auch gerne als Whistleblower-Richtlinie gesprochen wird? Sie dient in erster Linie dem Schutz von Mitarbeitern. Angestellte sind häufig in Firmen oder Behörden die ersten, denen auffällt, wenn Kollegen oder auch Vorgesetzte Verstöße begehen. Das können Verstöße gegen den Umweltschutz, die Verkehrssicherheit, Tierschutz oder Fälle von sexuellen Übergriffen, Korruption, Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung und vieles mehr sein.

Schutz für Mitarbeiter

Mitarbeiter, denen Missstände auffallen, befinden sich in der Bredouille. Sagen sie etwas, werden sie anschließend eventuell Repressalien ausgesetzt? Haben sie nur eine Vermutung, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, trauen sie sich aus denselben Gründen nicht, ihren Anfangsverdacht anderen gegenüber zu äußern. Und hinzu kommt auch – wen soll ich informieren? Dabei soll das neue anonyme Hinweisgebersystem unterstützen.

Gründerteam findet sich

Mit der „Hintbox“ haben Dr. Ubbo Aßmus, Lukas Hoffmann, Patrick Diede und Dominik Lienen eine Softwarelösung entwickelt, die Hinweisgeber anonym nutzen können. Kennengelernt haben sich die vier durch die Hochschule. Der Jurist Dr. Ubbo Aßmus ist Dozent für IT- und Datenschutzrecht an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Lukas Hoffmann war engagierter Student, der nach der Vorlesung immer wieder Fragen an seinen Dozenten stellte und dadurch positiv auffiel. Zusammen mit Dominik Lienen hatte Hoffmann zuvor bereits Apps gebaut und die beiden hatten gemeinsam mit Patrick Diede eine Sharing-Plattform betrieben.

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Übersicht der eingegangenen Hinweise mit Bearbeitungsstatus, worum es geht und wer den Hinweis bearbeitet. Grafik lawcode  
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Ein Hinweis geht ein. In diesem Fall geht es vermutlich um Geldwäsche. Der Bearbeiter muss nun aktiv werden. Falls der Hinweis nicht auf deutsch geschrieben ist, kann der Bearbeiter ihn übersetzen lassen. Grafik lawcode 

Eine Idee wird verwirklicht

Als Experte für Datenschutzrecht hatte sich Dr. Ubbo Aßmus früh mit der Whistleblower-Richtlinie beschäftigt und sah das Potential einer Anwendersoftware. Der Kontakt zu den drei Fachinformatikern stellte sich als ideale Ergänzung für ein Gründerteam dar. Dominik Lienen hatte bereits Kontakte über das Gründerbüro der Uni Koblenz zum TZK geknüpft. Nach einer erfolgreichen Vorstellung ihres Projekts bei der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz erhielten sie eine Förderung für ihr Startup. Am 1. Juni 2021 zogen sie mit ihrer zuvor gegründeten lawcode GmbH ins TZK ein, die mittlerweile neun weitere Mitarbeiter beschäftigt.

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Wie funktioniert die Hintbox?

Vom Abstrakten nun zum Praktischen. Wie funktioniert das Hinweisgebersystem „Hintbox“? Jede Firma hat eine eigene digitale Hintbox-Adresse. Ruft der Hinweisgeber diese auf, erscheint eine Maske, in der er reinschreiben kann, was passiert ist, wo es passiert ist, wer beteiligt oder betroffen war und kann den Vorfall genauer beschreiben. Das Aufrufen dieser Hintbox-Seite sollte man am besten von einem externen Rechner oder seinem Smartphone machen, empfehlen die vier Gründer, um die Anonymität sicher zu gewährleisten.

Nach dem Abschicken seines Berichts erhält der Hinweisgeber eine Eingangsbestätigung. Gleichzeitig erhält er automatisch generierte Login-Daten mit einem Benutzernamen, der aus einem Zahlencode besteht, und einem Passwort, um damit den aktuellen Bearbeitungsstand seiner Meldung einsehen zu können.

Spätestens nach sieben Tagen muss die Abteilung, bei der die Hinweise eingehen, dem Hinweisgeber mitteilen, dass der Vorfall bei ihr eingegangen ist und bearbeitet wird. Nach spätestens drei Monaten muss ein Bericht erstellt werden, was genau alles getan wurde, den der Hinweisgeber mit Hilfe seiner Login-Daten einsehen kann.

Feedback von Anwendern

Worauf die Programmierer von lawcode besonders stolz sind, ist der leichte intuitive Umgang mit dem Programm. Über 80 Firmen arbeiten bereits mit der „Hintbox“ und die vier Gründer hören immer wieder, wie leicht zu bedienen es sei, und dass auch Angestellte ohne juristische Ausbildung die Fälle bearbeiten könnten. Dem Bearbeiter werden je nach Vorfall – ob Geldwäsche oder sexueller Übergriff – Handlungsmaßnahmen vorgegeben, die nacheinander abgearbeitet werden sollten, um klären zu können, ob die Tatsache einer gesetzeswidrigen Handlung vorliegt. Dass das System funktioniert, zeigen die zahlreichen und namhaften Kunden, die bereits erfolgreich mit „Hintbox“ arbeiten. Petra Dettmer

TZK Koblenz:

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Das TZK Koblenz ist eines der erfolgreichsten Gründungszentren in Rheinland-Pfalz. Es existiert seit 30 Jahren. Es ist ein verlässlicher Partner für innovative Gründungsvorhaben, bietet Beratung, Networking und Büros und Co Working Places zu günstigen Mietkonditionen.

Hinweisgebersystem: Verpflichtend für alle Unternehmen mit 50 und mehr Mitarbeitern sowie alle juristischen Personen des öffentlichen Dienstes ab Dezember 2023.