Um ein Haar wäre das Interview mit Manfred Wyrwoll sehr einsilbig geworden. Im Vorgespräch am Telefon fragt der Finanzchef des Mittelrhein-Verlags (MRV) in seiner typischen Art: „Was haben se denn vor?“ Als er hört, dass er interviewt werden soll, sagt er: „Dann mache ich es wie damals Willy Brandt und antworte auf die Fragen nur mit Ja und Nein.“ Es kommt anders, auch wenn der gebürtige Frankfurter gern kurz und knapp antwortet, manchmal auch nur mit Ja und Nein. Die kurze Episode sagt viel über den Mann aus, der seit fast 26 Jahren die finanziellen Geschicke des MRV leitet. Wyrwoll, der nächstes Jahr in Rente geht, ist bekannt, bei manchen gar berüchtigt für seinen speziellen Humor. Der ist meist direkt, manchmal auch sarkastisch, entwaffnend, ab und an auch schwarz. Irgendwann sagt der 65-Jährige, angesprochen darauf, was er im Ruhestand machen will: „Darüber will ich nicht reden. Ich will keinen Abschiedsbericht. Wenn jemand für sein Lebenswerk einen Oscar bekommt, ist er 14 Tage später tot.“


Braucht man als Finanzchef eines Verlags Humor? Ja. Man darf sich nicht so ernst nehmen“, sagt Wyrwoll und ergänzt schnell: „Die Arbeit nehme ich natürlich ernst. Ich mache aber auch gern Spaß.“ Humor hilft wohl auch, weil man in der Finanzabteilung eines großen mittelständischen Unternehmens wie dem MRV ein dickes Fell braucht. Wyrwoll drückt es so aus: „In der Finanzabteilung muss man akzeptieren, dass man heute etwas macht, das einem erst Jahre später um die Ohren fliegen kann, wenn die Betriebsprüfung kommt.“ So berichtet er, dass gerade erst die Bücher des MRV aus den Jahren 2017 bis 2019 geprüft wurden.
Da liegt es nahe, dass sich der Finanzchef in ganz besonderem Maße auf sein Team verlassen können muss. „Ein gutes Team in der Finanzabteilung zeichnet sich nicht nur durch Fachwissen aus, sondern muss auch zuverlässig, beständig und ehrlich sein. Ein guter Finanzchef ist das eine, aber man braucht auch gute Leute. Und die haben wir hier.“ Für Wyrwoll ist es da von großem Vorteil, dass er viele seiner 49 Mitarbeitenden in der RZ-Corporate Service GmbH schon lange kennt, einige schon seit seinem Start beim MRV im Jahr 1997. Die im Jahr 2009 gegründete GmbH, die Geschäftsführer Wyrwoll leitet, ist die Verwaltungsgesellschaft für alle Firmen der Mittelrhein-Verlag'-Gruppe. Sie kümmert sich neben der Finanzbuchhaltung auch um die Bereiche Bilanzen, Steuern, Controlling, Einkauf sowie um das Facility, Fuhrpark- und Cash-Management. Auch die Mitarbeiter der Personalabrechnung unter der Verantwortung der Personalleitung sind dort angestellt.
Wyrwoll ist erst der dritte Finanzchef seit der MRV-Geburtsstunde im Jahr 1948. Er führt dies auch darauf zurück, dass die Verbindung zwischen Geschäftsleitung und seiner Abteilung besonders eng ist. „In der Geschäftsleitung gibt es ebenfalls eine große Kontinuität.“ Und: Ein häufiger Wechsel des Finanzchefs könnte aus seiner Sicht eine sehr schlechte Außenwirkung haben. Dafür gebe es jedoch gerade beim MRV überhaupt keinen Anlass, stehe der Verlag doch durch die Umstrukturierung seit Beginn des Jahrtausends und nicht zuletzt durch den Bau des RZ-Druckhauses mit neuesten Druckmaschinen und hochmoderner Weiterverarbeitung sehr gut da.
Davon profitiert die Firma bis heute, auch wenn manches teilweise schmerzlich gewesen sein mag. Aber nur so konnten wir den Rückgang bei der Printauflage und den Werbeeinnahmen auffangen. Der MRV hat heute keine Bankschulden mehr. Das ist im Vergleich zu anderen Verlagen ein riesiger Vorteil, weil wir in unseren Entscheidungen freier sind und keine Abhängigkeiten bestehen. Da ist vernünftig gewirtschaftet worden.“
Als Manfred Wyrwoll im November 1997 - damals noch in der dritten Etage in der August-Horch-Straße - vom zweiten Finanzchef Reinold Kaufhold eingearbeitet wurde, konnte er nichts über die finanzielle Lage des MRV wissen. Damals war das Kerngeschäft des Verlags, Anzeigen und Vertrieb, noch in zwei Kommanditgesellschaften ausgelagert, die ihre Geschäftsberichte und Bilanzen nicht publizieren mussten. Als Nachfolger von Kaufhold war es eine der ersten Aufgaben Wyrwolls, den Jahresabschluss für 1997 aufzustellen. „Im Rahmen dieser Tätigkeit konnte ich einen detaillierten Einblick in die Zahlen gewinnen.“ Und sie waren sehr gut, erinnert er sich. Damals lag die Abo-Print-Auflage noch bei mehr als 240 000 Exemplaren, der Anzeigenumsatz bei 65 Millionen Euro - heute hat sich das aufgrund der Marktbedingungen stark geändert, das Geschäft ist insgesamt komplexer geworden. Dass der Verlag heute trotzdem gut dastehe, habe ganz wesentlich mit der Kontinuität in der Geschäftsleitung zu tun. „Man hat kurz nach Beginn der Medienkrise im Jahr 2001 reagiert und den Entwicklungen Rechnung getragen.“ Das gelte bis heute. Stichwort Digitalisierung.

Darin sieht Wyrwoll auch die größte Herausforderung für seinen Nachfolger: Zwar arbeite der Verlag schon seit Jahrzehnten mit SAP-Software und seit einigen Jahren auch mit digitalisierter Eingangsrechnungsverarbeitung. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, werden aber weitere Bereiche der Finanzbuchhaltung in den nächsten Jahren digitalisiert werden.


Als Manfred Wyrwoll vor knapp 26 Jahren zum MRV kam, nachdem er zuvor viele Jahre als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater unterwegs gewesen war, wollte er zunächst vielleicht fünf, sechs Jahre bleiben, erinnert er sich. „Aber die Aufgaben beim MRV wurden immer umfangreicher und verantwortungsvoller, sodass der Job immer interessanter wurde und es bis heute ist.“ Also bleibt er. Bis zu seiner Rente im nächsten Jahr.
Und dann? Da Wyrwoll darüber nicht reden will, bleiben nur Mutmaßungen. Die Leserinnen und Leser der Rhein-Zeitung werden ihn auch künftig auf seiner 167 PS starken Triumph Rocket 3 durch die Region fahren sehen. Das auffällige Motorrad des britischen Herstellers, von dem laut Wyrwoll jährlich nur einige Tausend Maschinen in Deutschland verkauft werden, ist die große Leidenschaft des Finanzchefs. „Ich bin mit meinem Motorrad in den vergangenen 20 Jahren das gesamte Verbreitungsgebiet der RZ abgefahren. Das waren meist Tagestouren, um die Region kennenzulernen.“ Wenn er am Abend oder am Wochenende auf der Maschine sitzt, kann er gut entspannen. „Wenn man Motorrad fährt, darf man an nichts anderes denken. Man ist gezwungen abzuschalten. Ansonsten ist die Gefahr groß, in einen Unfall verwickelt zu werden.“
Und wenn Wyrwoll nicht mit seinem Motorrad, sondern mit dem Auto unterwegs ist, wird man ihn nur in einem BMW antreffen. Da macht er keine Kompromisse. Warum? Schon als Freiberufler habe er gewusst: „BMW gilt als dynamisch, flexibel und schnell. Das gefällt mir.“
Nicht ganz auszuschließen ist auch, dass der Eintracht Frankfurt-Fan in Zukunft häufiger im Stadion anzutreffen ist. Gut denkbar ist auch, dass dies nicht das letzte Mal sein wird, dass von Manfred Wyrwoll in der Zeitung zu lesen ist. Schließlich ist er Geschäftsführer von HELFT UNS LEBEN e.V. „Die Hilfsaktion unserer Zeitung hat auch deshalb einen so guten Ruf, weil die Spenden eins zu eins weiterfließen. Und auf diese Weise meinen Teil dazu beitragen zu können, dass Menschen in Not geholfen wird, ist für mich auf alle Fälle eine Herzensangelegenheit.“
Was würde er tun, wenn er für einen Tag RZ-Chefredakteur wäre? Wyrwoll überlegt und sagt dann mit schelmischem Blick: „Ich würde mit den Redakteuren essen gehen, wobei die Redakteure für den Finanzchef bezahlen müssten. Das ist doch klar.“ Christian Kunst