Sonnenstrahlen für die Steckdose

Der Weg zur nachhaltigen Energieerzeugung wird kein leichter sein – Die Branche kann ein Lied davon singen

26. September 2022
Sonnenstrahlen für die Steckdose

Christian Schlosser, Geschäftsführer der Koch Gebäudetechnik GmbH, steht in einem seiner Solarparks bei Wirges im Westerwald. Foto: Jens Weber

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Wer wissen will, wo man die Mehrzahl der Menschen in Sachen erneuerbare Energien packen kann, der sollte einen Blick auf die Entwicklung der Fotovoltaik in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren werfen. Es ist nicht das Herz und auch nicht das Hirn, über das der Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Energieerzeugung führt: Es ist der Geldbeutel.

„Ich habe in 20 Jahren alle Aufs und Abs der Branche miterlebt“, sagt Christian Schlosser, Geschäftsführer der Koch Gebäudetechnik GmbH in Wirges. Und diese Wellenbewegungen, von denen der Praktiker spricht, die folgen nicht einer langsam und stetig reifenden Erkenntnis, dass es mit der fossilen Energieerzeugung so nicht weitergehen kann, sondern sie folgen stets der ganz menschlichen Verbraucherfrage, wie Energie am günstigsten zu haben ist.

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Lange war die Branche abhängig von der Energiepreisvergütung. Das Thema Ökonomie war bei den Kunden, die nach Fotovoltaik fürs Dach des Eigenheims oder der Fabrikhalle fragten, stets ein zentrales. So erlebte die ganze Branche 2012 prompt einen drastischen Auftragseinbruch, als die Bundesregierung die sogenannte Einspeisevergütung massiv reduzierte. Bei einem Rückgang der Renditeerwartungen von rund 8 auf knapp 2 Prozent waren die persönlichen Investitionen gegen den Klimawandel plötzlich deutlich weniger attraktiv. Die Folge war eine drastische Marktbereinigung. Etliche Geschäftsmodelle und Zigtausend Arbeitsplätze in der Solarbranche fielen dieser zum Opfer. Doch mit steigenden Strompreisen kamen der private Sektor, der Mittelstand und die Industrie in Sachen nachhaltige Energien wieder auf den Geschmack. Parallel zum exponentiellen Wachstum der Energiepreise seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs steigt auch die Kurve der Interessenten nun wieder steil an.

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Die Solarbranche in Deutschland trifft diese Nachfrageexplosion in einem Moment, in dem sie sich in einem erheblichen Umbruch befindet. Seitdem die Energiekrise medial allgegenwärtig ist, gibt es bei den Kunden quasi kein Halten mehr, aus dem Rückenwind durch die steigenden Strompreise ist ein Sturm geworden, der die gesamte Branche vor sich her bläst. Doch die enorme Nachfrage trifft aktuell auf einige, das Wachstum stark limitierende Faktoren, die verhindern, dass die Branche das Auftragsvolumen auch nur annähernd abarbeiten kann. Da sind zum einen die Module: „Wir kaufen alles, was wir kriegen können“, sagt Christian Schlosser. Gekauft wird überwiegend in China. Die namhaften deutschen Hersteller hatten in den früheren Flauten der Branche ihre Produktion weitgehend eingestellt. Kritiker sagen rückblickend, man habe die deutsche Produktion seinerzeit „sehenden Auges“ kaputt gehen lassen. Der „internationale Markt“ für Solarmodule ist in Wahrheit ein chinesischer Markt. Mehr als 90 Prozent der Solarmodule, die aktuell auf deutschen Dächern verbaut werden, sind im Reich der Mitte produziert worden.

Was das in Zeiten von durch Corona und Krieg brüchig gewordenen Liefer- und Transportketten bedeutet, lässt sich leicht ausmalen. Bestellt wird beim Großhändler. Eine Auftragsbestätigung, die so etwas wie ein Lieferdatum enthalten würde, gibt es schon lange nicht mehr. Im günstigsten Fall kommt per E-Mail eine Bestätigung, dass die Bestellung eingegangen ist. Meist enthält die dann den fast flehentlichen Hinweis: „Bitte rufen Sie uns nicht an.“ Die aktuellen 30 bis 35 Prozent Kostensteigerung gegenüber dem Vorjahr sind sicher noch nicht das Ende der Fahnenstange. Dabei steckt der Teufel bei der Solaranlage sowieso im technischen Detail: „PV-Module bekommen Sie ja vielleicht noch“, sagt Christian Schlosser mit Blick auf die Lastwagen, die den Wareneingang auf dem Firmengelände in Wirges ansteuern, „aber Wechselrichter und Batteriespeicheranlagen, da kriegen Sie dieses Jahr gar nichts mehr.“

Neben dem Material fehlt es aber auch am Personal. Allein die Firmengruppe Koch im Westerwald hat derzeit 40 bis 50 unbesetzte Stellen. „Wir suchen alles, vom Azubi über den Helfer, vom Solarteur bis zum Projektleiter“, sagt Schlosser. Der klassische „Fachhandwerker“, der fehle einfach überall. Im Heizungsbau und der Anlagenmechanik sehe es noch schwieriger aus. Da sei auch keine rasche Trendwende in Sicht. Helfen könne nur ein drastischer Imagewechsel, der den Handwerksberuf wieder attraktiver mache. Bei einem Kinobesuch in Montabaur sei vor dem Hauptfilm ein Imagefilm der Kreishandwerkerschaft gelaufen, erinnert sich Schlosser an einen privaten Moment, als Zweifel in ihm aufkamen, ob das moderne Handwerk mit den richtigen Bildern und Botschaften um Nachwuchs wirbt. In dem Werbespot habe tatsächlich ein Installateur unter einer Toilette gekniet. „Das macht mich fassungslos“, sagt Schlosser mit einem bitteren Lachen.

Gute Handwerker würden in allen Berufsfeldern wie Gold gehandelt, die besten verliere der Mittelstand dann auch noch an die Industrie, die mit höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen winke. Ohne Material und Personal in ausreichender Menge tun sich Fachbetriebe naturgemäß schwer, potenziellen Neukunden einen zeitnahen Termin für den Aufbau ihrer Solaranlage zu nennen. Positiv ist: Die Schwierigkeiten der Branche sind inzwischen auch medial ein dermaßen großes Thema, dass sie als allgemein bekannt gelten dürfen. „Vor zwei Jahren hätten uns die Endkunden wahrscheinlich den Kopf abgerissen, inzwischen treffen wir auf großes Verständnis“, sagt Schlosser.

Webinar der evm

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Zum Thema Solarstrom bietet unter anderem der größte Energieversorger der Region, die evm, regelmäßige Infoveranstaltungen an – auch online. Das nächste Webinar mit dem Titel „Jetzt eigenen Solarstrom erzeugen!“ findet an diesem Donnerstag, 29. September, um 18 Uhr statt. In diesem Webinar erfahren Interessierte, wie man sich mit einer Fotovoltaikanlage unabhängiger von steigenden Strompreisen macht. Anmeldung unter www.evm.de/privatkunden/veranstaltungen

Fotovoltaik: Worauf muss ich achten

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Wer darüber nachdenkt, sich eine Fotovoltaikanlage (PV-Anlage) auf dem eigenen Dach installieren zu lassen, sollte einige Dinge bedenken:

Welche Leistung brauche ich? Betrachten Sie nicht den Stromverbrauch der Gegenwart, sondern versuchen Sie, Ihren Stromverbrauch der Zukunft realistisch einzuschätzen, denn eine PV-Anlage hat eine Lebensdauer von rund 20 Jahren. Soll zum Beispiel in Zukunft auch ein Elektrofahrzeug über das Hausdach betankt werden, kommt eine durchschnittliche PV-Anlage je nach Fahrleistung rasch an ihre Grenzen.

Wie autark macht mich eine PV-Anlage? Eine wichtige Faustformel lautet: Rund 30 Prozent des Brauchstroms im Haushalt kann ich über eine PV-Anlage realisieren. Zu den großen Stromverbrauchern im Haushalt zählen Spülmaschine, Trockner, Herd, Waschmaschine. Mancher Verbraucher macht sich einen regelrechten Sport daraus, den Einsatz solcher Geräte sozusagen an den Lauf der Sonne anzupassen. Doch: Nicht jeder (Arbeits)alltag lässt sich nach der PV-Anlage ausrichten.

Was sind die baulichen Voraussetzungen? Eine Fotovoltaikanlage kommt für gewöhnlich aufs Dach. Mit dem Dach sollte also jede Überlegung anfangen. Ein Blick in Google Earth hilft da wenig weiter. Um welche Art von Dach handelt es sich bei meinem Eigenheim? Welche Dachflächen eignen sich von ihrer Ausrichtung her für den Betrieb einer Anlage? Ist die Statik ausreichend für den Aufbau, oder muss nachgebessert werden? Wer diese Fragen am Anfang klärt, spart sich böse Überraschungen.

Was ist bei der Auswahl des Anbieters zu beachten? Vorsicht: Der Boom der PV-Anlagen lockt auch „schwarze Schafe“ in den Markt. Der Berufsstand ist nicht geschützt. Hart gesagt: Jeder, der sich berufen fühlt, kann morgen den Bau von PV-Anlagen anbieten. Achten Sie bei der Auswahl des Anbieters darauf, dass seriöse Fachbetriebe PV-Anlagen immer „schlüsselfertig“, also betriebsbereit zur Einspeisung von Strom ins Netz inklusive aller Genehmigungen anbieten. Sehr vorsichtig sollte man bei Angeboten sein, wo beispielsweise die Anmeldung oder die Inbetriebnahme „bauseits“ ausgewiesen werden. Viele Normalbürger sind mit dem komplexen rechtlichen und fachlichen Prozedere der formalen Inbetriebnahme schlicht überfordert. Vorsicht auch, wenn im Angebot verschiedene Handwerkerleistungen an diverse Subunternehmen ausgelagert werden. Die Leistung aus einer Hand ist wichtig, vor allem, wenn es zu Reklamationen kommen sollte.