Herr Boch, Sie sind nun rund ein halbes Jahr als Landrat im Amt. Was waren in diesen Monaten die herausragenden Aufgaben im Rhein-Hunsrück-Kreis für Sie?
Boch: Wenige Tage, bevor ich das Amt als Landrat antreten durfte, begann in der Ukraine ein furchtbarer Krieg, dessen Auswirkungen die Arbeit von Beginn an und bis heute erheblich beeinflussen. Rund 1500 Menschen sind auf ihrer Flucht im Rhein-Hunsrück-Kreis angekommen, die Region hat sich in einem ungeheuren Maße um diese Menschen gekümmert, dafür bin ich sehr dankbar. Wir haben als Verwaltung in dieser Krise sofort gehandelt und Strukturen geschaffen, um diese fordernde Situation zu bewältigen. Die Aufgaben reichen von der wirtschaftlichen Hilfeleistung über medizinische Fragen bis zur Unterbringung, unter anderem auch in der reaktivierten Jugendherberge in Sargenroth. Um diese Aufgaben bewältigen zu können, haben wir unter anderem junge Arbeitskräfte in die Verwaltung geholt, die nach ihrem Abitur als temporäre Mitarbeitende in dieser Krise sehr engagiert geholfen haben. Durch den Krieg gibt es viele Aufgaben und extreme Kostensteigerungen. Dazu kamen und kommen die Folgen einer Pandemie, die noch immer nicht ausgestanden ist, und viele weitere, teils sehr komplexe Aufgaben. Die Zukunftsgestaltung der Verwaltung, der weitere Ausbau der Digitalisierung oder auch der schwierige und kostenintensive Ausbau der Kita-Landschaft sind solche Themen.
Oder auch die Umgestaltung eines ÖPNV, in dem es zuletzt extreme Kostensteigerungen gegeben hat. In den vergangenen Monaten habe ich zu verschiedenen Großthemen viele Gespräche geführt und erste Weichenstellungen auf den Weg gebracht.

Viele Gemeinden im Kreis verfügen über kleine Gewerbegebiete, daneben bilden große Unternehmen wie auch der Tourismus die Säulen der Wirtschaft. Wie sehen Sie diesen Mix und seine zukünftige Entwicklung in der Region?
Boch: Eine große Stärke der Wirtschaftsregion Rhein-Hunsrück liegt darin, dass viele mittelständische Betriebe ihr Rückgrat bilden. Es sind sehr bodenständige und heimatbewusste Unternehmerinnen und Unternehmer, die langfristige Akzente setzen. Ich denke, dass unternehmerischer Mut und Weitblick in den nächsten Jahren sehr gefordert sein werden. Die Fachkräftegewinnung wird immer stärker zur Herausforderung, dies gilt gerade in der Gastronomie und im Tourismus. Mit der Buga 2029 haben wir im Tourismus allerdings eine große Chance, um unsere Region zu stärken.
Die weltweiten Krisen haben auch vor der Wirtschaft in unserer Region nicht Halt gemacht. Welche Auswirkungen und Folgen haben Sie feststellen können?
Boch: Aktuell sind die massiven Energiekosten ein Hauptthema, jeder spürt auf unterschiedliche Weise die Auswirkungen, die insbesondere durch den Krieg in der Ukraine hervorgerufen sind. Aber neben den extremen Preissteigerungen für Strom, Kraftstoffe und Wärme gibt es nach wie vor erhebliche Lieferengpässe und Kostensteigerungen, die vor einiger Zeit noch unvorstellbar gewesen sind. Dazu kommen starke Veränderungen im internationalen Finanzmarkt. Wirtschaft und Gesellschaft stehen vor immensen Herausforderungen.

Angesichts der steigenden Preise für Lebenshaltung und Energie werden die Rufe nach Unterstützung durch die Politik sowohl bei Privatleuten wie auch aus der Wirtschaft immer lauter. Kann der Rhein-Hunsrück-Kreis da etwas bewirken?
Boch: Der Rhein-Hunsrück-Kreis sollte flankierend zu den Maßnahmen von Bund und Land wirken, indem er ein verlässlicher Partner der Unternehmen ist und gute Rahmenbedingungen zum Leben bietet, beispielsweise durch den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Daran muss weiter gearbeitet werden. Kostenzuschüsse wie die Energiepreispauschale sollten Aufgaben von Bund und Land sein.
Sie sind bis zum Jahr 2030 gewählt. Wo sehen Sie die wirtschaftlichen Chancen für den Kreis am Ende dieser Periode?
Boch: Ich sehe im Rhein-Hunsrück-Kreis und für die Wirtschaft in der Region ein erhebliches Potenzial. Dafür möchte ich drei Beispiele nennen: Die Entwicklung des Flughafens Hahn und die Nutzung der dort vorhandenen, bereits versiegelten Flächen, die Entwicklung einer gelingenden Buga 2029 und den gemeinsamen Weg zum Bau der Mittelrheinbrücke. Wir haben als Region außerdem die Chance, bei der Entwicklung neuer Technologien im Energiesektor eine Rolle zu übernehmen. Die logistische Infrastruktur im Landkreis ist gut, wir haben Unternehmen mit Weitblick. Ich denke, dass wir bis 2030 als Wirtschaftsregion noch attraktiver sein können. Das Interview führte Arno Boes