„Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen“

Eva Reiter leitet erfolgreich ein Familienunternehmen

27. November 2020
„Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen“

Eva Reiter, DBL ITEX Gaebler

Im Februar 1979 wird sie im Zeichen des Wassermanns geboren, eine Rebellin, voller Energie, die von sich sagt, sie sei eine „Antiquotenfrau“. Die Rede ist von Eva Reiter. Sie ist geschäftsführende Gesellschafterin eines Familienunternehmens, Mutter zweier Töchter und sie weiß, was sie will. Im Ehrenamt engagiert sie sich als Beiratsvorsitzende der IHK.

Die Anfänge des Familienunternehmens DBL ITEX Gaebler reichen über 170 Jahren zurück. Eberhard Gaebler und Evas Vater, Rainer Raabe, stießen 1973 zur DBL und gründeten 1978 die ITEX Gaebler GmbH in Montabaur. In dieses Unternehmen steigt 2006 Eva Reiter ein.

Eva ist das einzige Kind. 1996, mit gerade mal 17 Jahren, ist ihr klar, dass sie nichts „mit der schmutzigen Wäsche fremder Leute“ zu tun haben will. Stattdessen beginnt sie nach ihrem Abitur 1999 mit einem BWL-Studium internationaler Ausrichtung und deutsch-französischem Doppeldiplom als Abschluss. Sie lernt Land und Leute in Frankreich kennen und lieben, absolviert verschiedene Praktika. Das Fach „Produktionslogistik“ hat es ihr besonders angetan.

„Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen“-2
Kerry Lange, Ask4More
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Gabi Müller, AM Müller
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Annabelle Müller-Götsch, AM Müller
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Chalina Müller, AM Müller

Im Sommer 2001 neigte sich ihre Zeit in Frankreich dem Ende. Die letzte praktische Phase führte sie zu Electrolux nach Reims. „Es muss laut sein und stinken, damit ich glücklich bin. Mit Hirn und Verbindung zum sichtbarem Produkt.“ Nach zwei Jahren kam sie zurück nach Deutschland. Sie landet bei einem traditionsreichen Automobilzulieferer am Bodensee. Es folgen Praktikum, Diplomarbeit, Festanstellung. Man betraut sie mit Projekten im internationalen Einkauf mit den Worten „Du reist doch gerne“. Sie sieht viel von der Welt.

„Mein Traum war es damals, die erste Vorstandsvorsitzende eines deutschen Automobilzulieferers zu werden,“ erzählt Reiter. Der Preis, den sie dafür hätte zahlen müssen, war ihr irgendwann zu hoch. Der lange Weg dahin und „ich hätte mich zu sehr verbiegen müssen“.

Aus der Ferne wurde das Familienunternehmen immer attraktiver. „Mit Mitte 20 saß ich alleine in einem Hotelzimmer in China und war desillusioniert.“

Deshalb kehrt sie 2005 China und dem Konzern den Rücken, kündigte ihren Job und bewarb sich schriftlich bei ihrem Vater, um die Stelle als Geschäftsführerin. Ihr Vater freut sich und teilt sich mit Eva Reiter seit 2006 die Geschäftsleitung. „Für die Belegschaft war es schon krass. Sie kennen mich ja schon als kleines Mädchen.“

Insgesamt elf Jahre hat es gebraucht, bis sich Vater und Tochter so richtig „zusammengerauft“ haben. „Wir haben alle Aggregatzustände durch.“ Mittlerweile sind sie angekommen im gegenseitigen Respekt, professioneller Augenhöhe und ehrlicher Zuneigung. Anfangs hatten sie noch überlegt, die Ressorts im Unternehmen aufzuteilen, aber es hat sich einfach gefügt. „Wie so vieles im Leben. Mit der nötigen Portion Urvertrauen“, weiß Eva Reiter. „Und die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.“

„Wenn ich darüber nachdenke, fühle ich mich manchmal viel älter als mein Vater. Er mag immer noch die Bühne, während ich mittlerweile viel lieber im Hintergrund agiere“, sinniert die 41-Jährige.

2018 hat sie an dem Wettbewerb „Rollenvorbilder 2018 – Frauen im Mittelstand“ teilgenommen. „Das wäre heute nicht mehr meine Sache“, sagt Reiter ganz offen.

Viele Dinge, die sie beschäftigen und die sie kritisch hinterfragt, wie etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. „Wir sind an einem Punkt angelangt, wo es nicht mehr ausreicht, wenn nur ein Partner arbeitet. Zum Überleben müssen oft beide Geld verdienen. Was sagt das über den Zustand unserer Gesellschaft? Wo findet sich die gesellschaftliche Mitte wieder?“

Die zweifache Mutter kennt die Geschichten ihrer Mitarbeiter, nicht alle, aber sehr viele. Sie sieht eine besondere Verantwortung, gerade in Familienunternehmen.

Die Stärke der Frauen und nicht nur von ihnen, liege in der Authentizität. „Genauer gesagt, im Mut, diese zu leben, und die Weisheit zwischen Mut und Wahnsinn zu unterscheiden.“ Für alle Menschen wünscht sie sich, dass sie sich ein Leben mit einem wachsenden Maß an Authentizität erschaffen. Doris Kohlhas