Glück auf - Verbundgrube Füsseberg

Zwischen Moos und Metall: Ein vergessener Ort mit Geschichte

05. September 2025
Glück auf - Verbundgrube Füsseberg

Der überwachsene Eingang zu einem ehemaligen Stollen der Grube Füsseberg - hier begann für die Bergleute einst der Arbeitstag unter Tage. Fotos: Doris Kohlhas

Es ist ein Sonntag im Westerwald, als ich mich auf den Weg mache. Ziel ist ein Ort, der heute kaum noch sichtbar im Wald liegt, aber viele Spuren hinterlassen hat: die ehemalige Verbundgrube Füsseberg bei Daaden. Wer sich ihr nähert, begegnet nicht nur verfallenen Mauern, sondern auch einem Kapitel Industriegeschichte, das tief in der Region verwurzelt ist. 

Die Grube Füsseberg war einst die größte Eisenerzgrube des Siegerlandes. Generationen fanden hier Arbeit, verbunden mit körperlicher Belastung, gesundheitlichen Risiken und einer prägenden Lebensweise. Heute ist der „Fuss“, wie die Einheimischen ihn nennen, ein sogenannter „Lost Place“: verlassen, verwittert, dennoch voller Bedeutung. So beschreibt ihn auch Andreas Stahl in seinem Buch Lost & Dark Places Westerwald (Gmeiner Verlag).

Ich parke am Naturdenkmal Hüllbuche, nahe der alten Handelsstraße Köln–Frankfurt. Von hier führt ein zehn Kilometer langer Rundweg zur Grube, vorbei an stillen Waldpfaden, über den Druidensteig und Teile des Grubenwanderwegs, der mit „Schlägel und Eisen“ markiert ist.

Der Pfad ist abwechslungsreich: weicher Waldboden, wurzelübersäte Anstiege, steinige Abschnitte. Immer wieder halte ich inne, nicht nur, weil der Weg Kraft kostet, sondern weil sich an vielen Stellen eine eigentümliche Atmosphäre breitmacht. Zwischen den Bäumen: Ruinen, Mauerreste, vermooste Fundamente. Die Natur holt sich zurück, was der Mensch einst geschaffen hat. 

Wer den Blick schärft, erkennt zwischen Farn und Geröll das Stollenportal: zwei Eingänge, Zugang zur Seilfahrt, in der die Kumpel ein- und ausfuhren. Hier begann ihr Tag und hier endete er.

Ich denke an die Männer mit ihren „Ohmessäcken“ und „Kaffiblährschen“. Viele Familien in Daaden, Biersdorf oder Schutzbach waren vom Bergbau abhängig. Die Grube bedeutete Brot auf dem Tisch, aber auch Lärm, Staub, Verletzungen oder gar Schlimmeres. Nicht umsonst nannte man den Füsseberg auch den „Jammerberg“.

In Spitzenzeiten arbeiteten über 1.000 Menschen unter Tage. Viele kamen mit 14 Jahren zur Grube und gingen mit schwerem Rücken oder Lungensilikose wieder hinaus. 1965 wurde der Betrieb eingestellt, 435 Bergleute und 45 Angestellte erhielten ihre Entlassungspapiere. Der Förderturm wurde 1966 gesprengt. 

Noch heute sind viele Familien in der Region eng mit dem Bergbau verbunden durch Erinnerungen, Erzählungen oder Nachnamen, die auf die Zeit unter Tage verweisen. Die Geschichte des „Fuss“ ist nicht nur technik- oder wirtschaftshistorisch bedeutsam, sondern auch ein Stück Identität für den Daadener Raum. Sie ist Mahnung zugleich: An eine Zeit, in der harte Arbeit kaum hinterfragt wurde und soziale Absicherung selten war.

Die Grube war Teil eines weit verzweigten industriellen Netzwerks. Das geförderte Erz wurde per Bahn nach Betzdorf und weiter Richtung Ruhrgebiet transportiert. So ist der Füsseberg auch ein Bindeglied im industriellen Gedächtnis Deutschlands, ein kleiner Ort mit großer Verbindung. 

Was bleibt, ist eine Landschaft, die Geschichten bewahrt. Wer hier wandert, läuft über ein geologisches Archiv über die Lebensadern einer Region, die einst vom Rhythmus der Schichten bestimmt war.

Im Ortszentrum von Daaden steht die evangelische Barockkirche, erbaut 1722 bis 1724, ein denkmalgeschütztes Gebäude mit markantem Turmhelm. Sie zählt zu den bedeutenden protestantischen Sakralbauten der Region und erinnert an eine Zeit, in der Kirche, Arbeit und Gemeinschaft das Dorfleben bestimmten.

Die Grube Füsseberg ist heute stillgelegt, doch ihre Geschichte ist in der Region weiterhin präsent – in der Landschaft und in vielen Erinnerungen. Doris Kohlhas

Was ist eine Verbundgrube?

Eine Verbundgrube vereint mehrere zuvor eigenständige Grubenbetriebe unter einem organisatorischen und technischen Dach. Ziel war eine effizientere Förderung durch gemeinsame Infrastruktur und zentrale Verwaltung. 

Typisch Bergmann

„Ohmessäck“ – Brottasche aus festem Stoff
„Kaffiblährsch“ – Kaffee- oder Teebehälter aus Metall
„Seilfahrt“ – Transport der Bergleute mit Förderkorb in den Schacht
„Jammerberg“ – regionaler Ausdruck für besonders harte Grubenbedingungen


Daten & Fakten zur Grube Füsseberg

Standort: Bei Daaden, Landkreis Altenkirchen
Betriebszeit: ca. 1860–1965
Belegschaft in Spitzenzeiten: über 1.000 Personen
Produkt: Eisenerz (insbesondere Spateisenstein)
Nachnutzung: keine, Gelände weitgehend sich selbst überlassen

Tipp für Wandernde

Startpunkt: Naturdenkmal Hüllbuche bei Daaden
Länge: ca. 10 km
Strecke: Druidensteig & Grubenwanderweg
Markierung: „Schlägel und Eisen“
Hinweis: Feste Schuhe empfohlen, keine Einkehrmöglichkeit unterwegs

Historisches in Kürze

Erste Erwähnung: 1708 (Kupfererzvorkommen)
Schwerpunkt ab dem 19. Jahrhundert: Eisenerzabbau
Maximale Tiefe: 1.046 Meter
Fördermenge: zeitweise bis zu 360.000 Tonnen pro Jahr
Stilllegung: 1965
Letzter Arbeitstag: 25. März 1965
Betreiber: u.a. Friedrich Krupp AG