Der Duft von Wachs hing in der Stube, wenn am Heiligen Abend der Tannenbaum mit echten Kerzen erleuchtet wurde. Großeltern erzählen noch heute davon – von schlichten Festen, bei denen ein handgestrickter Schal oder ein selbstgebautes Spielzeug ein Geschenk voller Bedeutung war. Die Familie versammelte sich um das Radio, lauschte Weihnachtsliedern oder der Ansprache des Bundespräsidenten, und handgeschriebene Karten waren das verbindende Zeichen über Entfernungen hinweg.
Heute sieht das Bild oft anders aus. Der Baum glänzt im Licht von LED-Ketten, Kinder filmen das Auspacken mit dem Smartphone, Weihnachtsgrüße erreichen Verwandte per WhatsApp oder Videocall. Musik erklingt nicht mehr vom Schallplattenspieler, sondern aus Streamingdiensten, Filme laufen auf Abruf – und während am Tisch die Weihnachtsgans serviert wird, hält vielleicht jemand kurz das Tablet hoch, damit auch die entfernte Familie virtuell dabei ist.
Und doch sind die Unterschiede nicht so groß, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Was bleibt, ist der Wunsch nach Nähe, Geborgenheit und einem Moment, der sich von allen anderen Tagen abhebt. Früher wie heute sind es die Rituale, die Halt geben: das Schmücken des Baumes, das gemeinsame Singen, die vertrauten Speisen. Nur die Formen wandeln sich – aus der Postkarte wird ein digitaler Gruß, aus Kerzenlicht ein LED-Schein. Gerade in der Verbindung liegt der Zauber. Die Großmutter liest die Weihnachtsgeschichte vor, während die Enkel ein Foto vom geschmückten Baum in die Familiengruppe schicken. Auf dem Tisch stehen traditionelle Plätzchen neben modernen Dessertvarianten. Vergangenheit und Gegenwart begegnen sich und zeigen, dass Weihnachten ein lebendiges Ritual ist, das jede Generation fortschreibt.
Vielleicht ist es genau diese Fähigkeit zur Wandlung, die Weihnachten über die Zeiten trägt. Das Fest verändert Formen, passt sich an neue Gewohnheiten an, bleibt aber in seiner Botschaft gleich. Es erinnert uns daran, dass es nicht auf das Wie ankommt, sondern auf das Wofür: auf Nähe, auf das Teilen von Zeit, auf das Gefühl von Zusammengehörigkeit. Und so sitzen am Heiligen Abend mehrere Generationen beisammen - Kerzenschein trifft auf LED-Lichter, eine alte Schallplatte liegt neben dem Tablet, Gesang mischt sich mit digitalen Grüßen. In diesem Nebeneinander wird deutlich: Weihnachten wandelt sich, aber sein Herzschlag bleibt derselbe. red
