Mehr als war dicker Steen

Hoch über dem Rhein thront die Marksburg: ein Bauwerk, das mehr Geschichten erzählen kann als jedes Lehrbuch

02. Mai 2025
Mehr als war dicker Steen

Foto: Markus Volk - adobe.stock.com

Was klingt wie ein Klischee aus einem Mittelalter-Roman, ist auf der Marksburg Realität: Schwerter klirren, Rüstungen blitzen und Ritterhallen zeugen von einer Zeit, in der die Welt noch von Burgen beherrscht wurde – und genau das ist es, was die Marksburg so besonders macht. Denn sie ist nicht nur irgendeine Burg. Sie ist die einzige unzerstörte Höhenburg am Mittelrhein – und damit ein echtes Original unter vielen Nachbauten, Ruinen oder romantisierten Nachkriegskulissen. Wer sie besucht, betritt kein Museum, sondern ein Baudenkmal, das seit über 700 Jahren aufrecht steht und Geschichte atmet.

Erhaben thront sie auf einem Schieferkegel hoch über der Stadt Braubach: Die Marksburg ist nicht nur ein Hingucker für Rheinreisende, sondern ein unverrückbarer Zeuge deutscher und europäischer Geschichte. Während andere Burgen stürzten, verwüstet oder im Krieg zerstört wurden, widerstand die Marksburg allen Angriffen – ein mittelalterliches Bollwerk mit erstaunlicher Überlebenskunst.

Die Geschichte der Marksburg beginnt im Jahr 1231 mit ihrer ersten urkundlichen Erwähnung. Doch vermutlich wurde sie schon einige Jahrzehnte früher errichtet, um den strategisch wichtigen Rheinabschnitt zu kontrollieren und Handelswege zu sichern. Ihre Erbauer, die Herren von Eppstein, schufen ein festes Bauwerk, das nicht dem Prunk, sondern dem Schutz diente. Entsprechend schlicht und funktional war die frühmittelalterliche Architektur.

In den folgenden Jahrhunderten wechselte die Burg mehrfach ihre Besitzer, darunter die Grafen von Katzenelnbogen, die Landgrafen von Hessen und später das Herzogtum Nassau. Mit jedem Wechsel wurde weitergebaut, erweitert, befestigt – die Marksburg wuchs mit der Geschichte und ließ sich doch nie verbiegen. Selbst Napoleon konnte ihr nichts anhaben, auch wenn die Franzosen nach 1803 Teile der Rheinlande in Besitz nahmen.

Der eigentliche Wandel vom Verteidigungsbau zum Kulturdenkmal begann 1900, als die Deutsche Burgenvereinigung die Burg übernahm – ein Glücksfall für das Bauwerk und seine Besucher. Seitdem dient die Marksburg nicht nur als Forschungs- und Bildungsstätte, sondern auch als öffentlich zugängliches Museum, das jährlich tausende Geschichtsinteressierte anzieht.

Schmiedehandwerk hinter dicken Mauern: In der historischen Schmiede der Marksburg wird mittelalterliches Alltagsleben eindrucksvoll erlebbar. Foto: Manfred Grandis-stock.adobe.com
Schmiedehandwerk hinter dicken Mauern: In der historischen Schmiede der Marksburg wird mittelalterliches Alltagsleben eindrucksvoll erlebbar. Foto: Manfred Grandis-stock.adobe.com

Ein Rundgang durch die Burg gleicht einer Zeitreise: Man passiert das schwere Burgtor, schlendert über die gepflasterte Zugbrücke, steigt durch den Zwinger zur Kernburg hinauf und gelangt schließlich in den Rittersaal, die Burgküche, das Frauengemach oder die Kapelle. Besonders eindrucksvoll ist die Waffenkammer, in der sich die Entwicklung mittelalterlicher Rüstung nachvollziehen lässt – vom einfachen Kettenhemd bis zur vollständigen Plattenrüstung.


Aber die Marksburg ist nicht nur Kulisse, sondern aktives Denkmal. Sie wurde behutsam restauriert und erweitert, ohne ihren Charakter zu verlieren. Die Burgenvereinigung legt großen Wert darauf, originale Bausubstanz zu erhalten und moderne Eingriffe zurückhaltend zu gestalten. So bleibt das Bauwerk authentisch–mit all seinen Scharten, Unebenheiten und jahrhundertealten Mauern. 

Dass die Marksburg seit 2002 Teil des UNESCO-Welterbes „Oberes Mittelrheintal“ ist, überrascht daher kaum. Sie verkörpert wie kaum ein anderes Bauwerk die Geschichte des Burgenbaus am Rhein – nicht als Ruine, sondern als lebendiges Denkmal, das zeigt, wie Wehrarchitektur, Adelsherrschaft und Alltagsleben im Mittelalter zusammenspielten.

Die Marksburg ist mehr als ein Ausflugsziel – sie ist ein Stück gelebter Geschichte. Wer durch ihre Hallen wandelt, erlebt den Mittelrhein nicht nur als malerisches Panorama, sondern als Bühne europäischer Vergangenheit. Und vielleicht ist es gerade dieser Stein auf Stein gewachsene Realismus, der die Besucher so begeistert: Hier wurde nicht romantisiert, sondern verteidigt, gewohnt und regiert – über Jahrhunderte hinweg.

Die Marksburg ist damit ein Monument der Standhaftigkeit – ganz ohne Pathos, aber mit viel Substanz. red