
Die Mittelstraße – unsere gute alte Einkaufsmeile. Heute ein bisschen in die Jahre gekommen, mit vielen Imbissen, die zwar satt machen, aber selten zum Verweilen einladen. Wer hungrig ist, wird hier fündig. Wer Genuss sucht, eher nicht. Und genau deshalb ist die Nachricht spannend: In die leer stehende Immobilie, wo früher „Die Hose“ kleidete und später das Café Zion kurz Hoffnung schürte, soll nun gehobene Gastronomie einziehen.
Nun mal ehrlich: Hochwertige Gastronomie in der Mittelstraße – das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Ich sehe förmlich schon die Spekulationen in den Gesichtern der Passanten: Kommt ein französisches Bistro mit Austern und Champagner? Ein Steakhaus, bei dem das Filet mehr kostet als die Monatskarte im VRM? Oder gar ein Sushi-Tempel, der so edel ist, dass der Thunfisch per Helikopter eingeflogen wird?
Die Immobilienleute aus Düsseldorf versichern jedenfalls: Kein weiterer Imbiss. Gut so, davon haben wir wirklich genug. Aber was dann? Ein Feinschmeckerlokal mit weißen Tischdecken und Kerzenschein? Ein Szene-Restaurant, in dem man den Latte artgerecht aus dem Einmachglas schlürft? Oder vielleicht eine Vinothek, in der Neuwied endlich den Spagat zwischen Spätburgunder und Spaghetti schafft?
Ich kann’s mir lebhaft vorstellen: Da, wo einst Jeans und T-Shirts über den Tresen gingen, wird bald Tatar angerichtet und Trüffel gehobelt. Statt Rabatt auf Sommerware gibt’s dann Rabatt auf die Tagesempfehlung. Und die Empore, auf der früher wohl Kartons mit Restbeständen lagerten, könnte zum Lieblingsplatz für Verliebte werden, die sich über einem Glas Chardonnay tief in die Augen schauen.
Aber Vorsicht: Wir kennen auch die andere Seite. Manch hochtrabendes Konzept ist schneller verschwunden, als der erste Aperol Spritz serviert wurde. Das Café Zion hat’s vorgemacht: erst Hoffnung, dann Schließung. Neuwied ist ein hartes Pflaster für Gastronomen. Wer hier bestehen will, muss mehr können, als hübsch zu eröffnen. Er muss durchhalten, überraschen, begeistern.

Und trotzdem: Ich gebe zu, ich träume ein bisschen. Denn so sehr ich die Mittelstraße mag – sie könnte mehr Glanz vertragen. Und vielleicht zieht bald ein Restaurant ein, das genau das bringt. Bis dahin bleibt uns nur das Rätselraten.
Eines ist sicher: Meine Kamera habe ich griffbereit, wenn sich die Türen öffnen. Und sollte dort tatsächlich einmal Haute Cuisine serviert werden, dann werde ich nicht nur knipsen, sondern probieren – auch wenn mein Rentnerbudget vielleicht nur für die Vorspeise reicht.
Bis zum nächsten Mal
Ihr Werner, unterwegs zwischen Dönerbude und Dolce Vita, immer auf der Jagd nach den großen und kleinen Geschichten des Alltags.