Gleichzeitig zeigten die Befragten mehrheitlich Verständnis dafür, dass die Unternehmen die Mehrwertsteuersenkung nicht an die Kunden weitergeben, wenn die Branche besonders hart von der Corona-Krise getroffen wurde. Auch bei kleinen und kürzlich gegründeten Unternehmen konnten viele nachvollziehen, dass die Preise nicht angepasst werden. Die Befragung im Auftrag des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie gibt Aufschluss darüber, wie die Mehrwertsteuersenkung in der Bevölkerung wahrgenommen wurde. Die Ergebnisse der Befragung basieren auf den Antworten von 1202 Teilnehmern eines Online-Access-Panels, die zwischen dem 10. und 18. August 2020 durch das Marktforschungsunternehmen respondi AG befragt wurden.
Die Frage, ob wahrgenommen wurde, „dass die Unternehmen die Preise in Folge der Mehrwertsteuersenkung reduziert haben“, beantworteten 53 Prozent mit „ja“ oder „eher ja“. Gegenüber den Erwartungen vor dem 1. Juli fallen die Einschätzungen somit nach Einführung der Maßnahme deutlich positiver aus.


Des Weiteren wurde gefragt, ob Verständnis dafür bestehe, wenn die Unternehmen die Mehrwertsteuersenkung nicht an die Kunden weitergäben. Bei dieser allgemeinen Abfrage ist die Meinung geteilt, denn 37 Prozent der Befragten haben „etwas Verständnis“ oder „großes Verständnis“ dafür, während 40 Prozent „wenig Verständnis“ oder „kein Verständnis“ (22 und 18 Prozent) haben. Schließlich wurde nach möglichen Umständen gefragt, unter denen die Befragten Verständnis für eine ausbleibende Senkung der Preise hätten. Vor allem für Unternehmen aus Branchen, die hart von der Corona-Krise getroffen wurden, äußerten 63 Prozent ein entsprechendes Verständnis. Zudem gibt es hohe Zustimmungswerte bei kleineren Unternehmen und auch für junge und lokal ansässige Unternehmen. Hingegen lässt das Verständnis bei großen, export-orientierten und ausländischen Unternehmen nach. Zusätzlich gab es eine offene Antwortmöglichkeit, bei der am häufigsten angegeben wurde, dass bei niedrigpreisigen Waren eine ausbleibende Senkung auf Verständnis stoße.

Bei der Frage, ob die Mehrwertsteuersenkung sinnvoll sei, zeigt sich eine eher positive Einschätzung. Insgesamt gaben 45 Prozent der Befragten an, dass sie die Maßnahme als „sinnvoll“ oder „eher sinnvoll“ einschätzten, während nur 30 Prozent der Maßnahme mit der Einschätzung „eher nicht sinnvoll“ oder „überhaupt nicht sinnvoll“ ablehnend gegenüberstehen. Hierbei gibt es einen leicht positiven Zusammenhang zwischen wahrgenommener Preissenkung und der Einschätzung als sinnvolle Maßnahme (Korrelationskoeffizient von 0,26). Bezüglich des Einkommens und des Erwerbsstatus (beispielsweise selbstständig gegenüber abhängig beschäftigt) gibt es keine wesentlichen Unterschiede im Antwortverhalten, aber jüngere Menschen tendieren statistisch signifikant häufiger dazu, die Maßnahme als sinnvoll zu beurteilen. Weiterhin wurde abgefragt, ob bereits einmalige Ausgaben getätigt worden seien, die ohne die Mehrwertsteuersenkung nicht getätigt worden wären. Dies bejahten etwa 11 Prozent, von denen mehr als zwei Drittel angaben, dass diese Ausgaben mehr als 500 Euro betrugen. Die höchste Kategorie einer getätigten Ausgabe über 10 000 Euro nannten 14 Prozent der Gruppe. Die überwiegende Mehrheit derjenigen, die eine außerplanmäßige Ausgabe tätigte, sagte, dass diese ansonsten im nächsten Jahr erfolgt wäre (51 Prozent) oder in den darauffolgenden Jahren (39 Prozent). Dieses Ergebnis entspricht der Intention der Maßnahme, die einen temporären Konsumanschub bezwecken sollte.
Auf die an alle gerichtete Frage, ob noch weitere außerplanmäßige Ausgaben anstünden, antworteten 12 Prozent mit „ja“ (von denen knapp die Hälfte zu denjenigen gehören, die bereits Ausgaben getätigt haben). Die geplanten Ausgaben liegen dabei höher als die bereits getätigten (65 Prozent geben an, „über 1000 Euro“ ausgeben zu wollen) und auch hier sagen 51 Prozent, dass diese Ausgaben sonst im nächsten Jahr gemacht würden. Zur Einordnung der Effekte der Mehrwertsteuersenkung: Wenn beispielsweise 10 Prozent der Haushalte 1000 Euro zusätzlich (oder vorgezogen) ausgäben, entspräche dies Konsumausgaben von 4 Milliarden Euro.
Insgesamt zeigen die Umfrageergebnisse, dass die Mehrheit der Befragten wahrgenommen hat, dass die Unternehmen die Preise infolge der Mehrwertsteuersenkung reduziert haben. Die zuvor eher skeptische Einschätzung hat sich somit nach Einführung der Maßnahme ins Positive gewandelt. Auch wird die Mehrwertsteuersenkung von den Befragten eher als sinnvolle Maßnahme eingeschätzt – dies gilt insbesondere für diejenigen Personen, die die Preissenkungen wahrgenommen haben. Zudem deutet die Erhebung darauf hin, dass die Mehrwertsteuersenkung bei einem Teil der Befragten Änderungen im Konsumverhalten bewirkt hat und vor allem Käufe in höherpreisigen Segmenten bereits vorgezogen wurden beziehungsweise diese planen. Dies steht in Einklang mit der empirischen Beobachtung, dass sich beispielsweise die Besucherzahl in deutschen Innenstädten mit Einführung der Mehrwertsteuersenkung merkbar erhöht hat. Erste Zahlen vom Statistischen Bundesamt (2020) für den Juli 2020 zeigen zwar, dass sich die kalender- und saisonbereinigten realen Einzelhandelsumsätze insgesamt (ohne Kfz-Handel) im Vergleich zum Vormonat kaum verändert haben – es ergab sich sogar ein leichtes Minus von 0,17 Prozent. Jedoch sieht man insbesondere beim Handel von langlebigen Konsumgütern wie beispielsweise im Bereich Kommunikations- und Informationstechnik (+7,0 Prozent), Telekommunikationsgeräte (+8,6 Prozent) und elektrische Haushaltsgeräte (+6,9 Prozent) deutlich positive Konsumeffekte. Leichte Zuwächse finden sich auch bei Möbeln (+3,1 Prozent) und auch erste Zahlen aus dem Kfz-Handel deuten beispielsweise für Rheinland-Pfalz auf das erste Umsatz-Plus gegenüber dem Vorjahr seit der Corona-Pandemie (Statistisches Landesamt RLP, 2020). Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft