Die steile Karriere begann im Technologiezentrum Koblenz

Im Gespräch mit Sascha Böhr ist Gründer der Social Media Agentur 247GRAD und des Softwareunternehmens 247GRAD Lab

26. Juni 2023
Die steile Karriere begann im Technologiezentrum Koblenz

Foto: stnazkul - stock.adobe.com

Sascha Böhr ist Gründer der Social Media Agentur 247GRAD und des Softwareunternehmens 247GRAD Lab. Das Softwareunternehmen gehört heute zu den am schnellsten wachsenden Technologiefirmen Deutschlands.

Die Gründerszene nimmt einen immer größeren Stellenwert ein in der heutigen Wirtschaft. Sie steht für Wachstum, für Innovationen, für digitale Lösungen, für junge Arbeitskräfte, für Fortschritt. Dies hat die Stadt Koblenz rechtzeitig erkannt und das TZK, das Technologiezentrum Koblenz, mit heutigem Sitz in unmittelbarer Nähe zur Universität gegründet. Hier sollen junge Unternehmer eine Chance bekommen, aus einer Idee etwas Großes zu schaffen. Günstige Büroflächen und eine perfekte Infrastruktur sollen dabei unterstützen, den Traum vom Durchbruch zu ermöglichen. Die Stadt bietet die idealen Rahmenbedingungen, so dass sich die Gründer voll und ganz auf ihr Start-up konzentrieren können.

Auch Sascha Böhr fing einmal klein an im TZK. Als 24-Jähriger begann er 2010 zusammen mit drei Mitstreiter in einem einzigen Büroraum die erste Social Media Agentur Deutschlands zu etablieren. Heute hat er in seinen Unternehmen über 100 Mitarbeitende beschäftigt und eine ganze Etage im TZK angemietet, aus der er aber demnächst auszieht, da die Mietdauer befristet ist und er so neuen Gründern Platz machen wird.

Wir sprachen mit Sascha Böhr über seinen Werdegang als Jungunternehmer.

Wie kamen Sie auf die Idee, eine Social Media Agentur zu gründen? Heute kaum vorstellbar, aber Sie waren vor 13 Jahren der Erste!

Sascha Böhr: Bei der Gründung der Agentur 247GRAD waren wir eine der ersten Social Media Agenturen im deutschsprachigen Raum. Kurze Zeit später ging der „Hype“ um Facebook und Co. langsam los. Die ersten Unternehmen sprangen auf den Socia Media Zug“ auf. Unser erster Kunde damals war Procter & Gamble - danach durften wir für Nestlé eine Facebook-Kampagne realisieren. Wir hatten großes Glück, direkt von Anfang an mit großen Marken zusammenzuarbeiten. Unsere Agentur entwickelte sich prächtig, dennoch wollte ich neben dem Dienstleistungsgeschäft auch immer ein eigenes Produkt entwickeln und vermarkten.“

Welches Produkt haben Sie entwickelt?

Unser erstes Produkt hieß Tabmaker, eine Software, mit der Unternehmen ohne technisches Know-how eigene Facebook Applikationen erstellen konnten. Wir boten unterschiedliche „Apps“ an, wie zum Beispiel einen digitalen Adventskalender oder ein Tippspiel. Der Tabmaker wurde weltweit 300000 Mal installiert. Nachdem Facebook einige technische Veränderungen an der Plattform umgesetzt hatte, entschlossen wir uns, das Produkt Tabmaker einzustellen.“

Aber Sie hatten schon wieder eine neue Idee?

„Ja, wir arbeiteten bereits parallel an einer neuen Idee - einem sogenannten Social Media Management System. Wir stellten fest, dass es für Unternehmen immer aufwendiger wurde, regelmäßig Inhalte auf den verschiedenen Social Media Plattformen wie zum Beispiel Facebook, Twitter oder Youtube zu veröffentlichen. Mit unserer eigens entwickelten Software konnten Unternehmen zeitgesteuert Inhalte auf allen relevanten Social Media Kanälen veröffentlichen. Die Lösung vereinfachte die Arbeit im Social Media Marketing enorm. Auch diese Idee kam am Markt sehr gut an und hat sich rasant verbreitet. Zu dem Zeitpunkt gründete ich bereits mein zweites Unternehmen, die 247 GRAD Labs, welches sich auf die Weiterentwicklung der Software konzentrieren sollte.“

Der Markt ist sehr schnelllebig, das heißt, Sie müssen immer eine Nasenlänge voraus sein?

„In unserem schnelllebigen Marktumfeld kann jede Woche etwas Neues passieren. Als Unternehmen befinden wir uns daher im permanenten Wandel, so dass wir uns regelmäßig neu erfinden müssen. Darin liegt aber auch unsere Stärke. So haben wir 2017 eine weitere Kurskorrektur mit unserem Produkt vorgenommen.“

Sie haben dirico entwickelt. Was steckt dahinter?

„Zunächst analysierten wir, wie die weltweit besten Unternehmen nach außen und nach innen kommunizierten. Dabei stellten wir fest, dass die meisten Unternehmen sehr themenzentriert kommunizierten. Das Vorgehen hatte Parallelen zu der Arbeitsweise von Verlagen und Tageszeitungen, die sich typischerweise in sogenannten Newsrooms organisierten. Diese Erkenntnis hat uns dazu veranlasst, unsere Software dahingehend komplett neu zu entwickeln. Unsere überarbeitete Lösung nannten wir dirico. Mithilfe unserer Software steuern und organisieren Unternehmen heute abteilungs- und standortübergreifend alle ihre Themen und redaktionellen Inhalte, dirico ist ganz häufig das Herzstück der Kommunikation in einem Corporate Newsroom.“

Also haben Sie auch damit wieder einen Volltreffer gelandet?

„Ja, das kann man so sagen. Dirico ist heute die führende Plattform für Corporate Newsrooms. Einige DAX-Unternehmen arbeiten tagtäglich mit unserer Software. Zu den größten Kunden zählen beispielsweise die BMW Group, Hochtief, Union Investment, thyssenkrupp, EnBW oder Vodafone. Von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte sind wir die letzten drei Jahre hintereinander im Ranking der 50 am schnellsten wachsenden Technologie-Firmen Deutschlands gelistet worden.“

Wieso haben Sie dirico jetzt verkauft?

Stillsitzen gehört eigentlich nicht zu seinen Stärken. Sascha Böhr, Chef der Social Media Agentur 247GRAD und der Softwareschmiede 247GRAD Lab, hat ständig neue Ideen und wird nicht umsonst zu den am schnellsten wachsenden Technologiefirmen Deutschlands gezählt. Foto: Petra Dettmer
Stillsitzen gehört eigentlich nicht zu seinen Stärken. Sascha Böhr, Chef der Social Media Agentur 247GRAD und der Softwareschmiede 247GRAD Lab, hat ständig neue Ideen und wird nicht umsonst zu den am schnellsten wachsenden Technologiefirmen Deutschlands gezählt. Foto: Petra Dettmer

„In den vergangenen Jahren bekamen wir regelmäßig Angebote von Investoren. Bis dato hatten wir die Angebote immer abgelehnt, weil wir eigenständig bleiben wollten.

Glücklicherweise konnten wir unser Wachstum in der Vergangenheit aus eigener Kraft finanzieren, auch wenn dies nicht immer einfach war. Im Sommer letzten Jahres erwarb dann das Chemnitzer Technologieunternehmen Staffbase die mehrheitlichen Anteile an meinem Unternehmen. Staffbase ist weltweiter Marktführer für Software im Bereich der interen Kommunikation. Das Unternehmen wurde zuletzt mit über einer Milliarde US-Dollar bewertet und befindet sich weiterhin auf einem rasanten weltweiten Wachstumskurs.

Weshalb haben Sie sich für Staffbase entschieden?

„Wir arbeiteten bereits seit einigen Jahren erfolgreich mit Staffbase zusammen und integrierten deren Software nahtlos in unsere eigene Lösung. Der Gründer von Staffbase rief mich irgendwann an und fragte mich, ob wir nicht Interesse hätten ein Teil seiner Unternehmensgruppe zu werden. Wir mussten nicht besonders lange überlegen, denn der Zusammenschluss mit Staffbase eröffnet uns enorme Vorteile bei der Expansion. Unsere gemeinsame Vision ist es, das weltweit führende Betriebssystem für Kommunikation anzubieten. Die Agentur 247GRAD bleibt hingegen weiter eigenständig und setzt den Wachstumskurs unter der Führung von Geschäftsführer Thomas Berg weiterfort.“

Sie sind sehr standortorttreu. Weshalb sind Sie nicht, wie viele Start-ups, nach Berlin gezogen?

„Ich sehe für uns keinen Vorteil darin in eine andere Stadt zu gehen. Koblenz hat sich in den letzten Jahren toll entwickelt. Wir haben hier hervorragende Arbeitsbedingungen und einen guten Zugang zu Talenten aus der Region. Was mich besonders freut: Der Standort lockt auch immer häufiger Menschen aus anderen Teilen von Deutschland oder sogar aus dem Ausland zu uns nach Koblenz. Also ich finde, wir haben es selbst in der Hand, die Attraktivität des Standortes Koblenz kontinuierlich weiter zu verbessem. Wenn wir alle einen kleinen Teil dazu beitragen, kann Koblenz in den nächsten Jahren zu einem richtigen Startup Hotspot werden.“

Zum Abschluss: Was empfehlen Sie Gründern?

„Gerade in der Anfangsphase empfiehlt es sich, sehr viele Interviews mit potenziellen Kundinnen und Kunden zu führen. Je konkreter etwaige Herausforderungen identifiziert werden, desto besser kann die Lösung - also das eigene Produkt oder die eigene Dienstleistung anschließend maßgeschneidert werden. Ich empfehle Gründerinnen und Gründem von Anfang an, viel Wert auf die Zusammenstellung des eigenen Teams zu legen. Die Schlüsselpositionen sollten, wenn möglich, frühzeitig mit herausragenden Personen besetzt werden. Eines sollten Gründerinnen und Gründer aber nicht vergessen: Der Aufbau eines erfolgreichen Startups erfordert einen langen Atem und extrem viel Einsatz. Ich wünsche allen Koblenzer Gründerinnen und Gründem maximalen Erfolg und stehe bei Bedarf für einen Erfahrungsaustausch gerne zur Verfügung.“ Petra Dettmer

TZK Koblenz

Das TZK Koblenz ist eines der erfolgreichsten Gründungszentren in Rheinland-Pfalz. Es existiert seit 30 Jahren. Es ist ein verlässlicher Partner für innovative Gründungsvorhaben, bietet Beratung, Networking und Büros und CoWorking Places zu günstigen Mietkonditionen.