Vier prall gefüllte Fotoalben mit handgeschriebenen Informationen und kunstvoll gemalten Überschriften zeigen auf den ersten Blick, mit welcher Hingabe diese Familie ihr Handwerk lebt. Und rund 100 Pokale, Medaillen und Urkunden-die Anzahl schätzt Friseurmeister Ralf Reichertz nur noch - zeigen, dass die Familie ihr Handwerk liebt und meisterhaft beherrscht.

Die Geschichte der „Friseur-Dynastie“ Reichertz beginnt 1896, wie Ralf Reichertz aus der vierten Generation der Friseurfamilie berichtet. Sein Urgroßvater Josef Reichertz gründete am 1. März 1896 das Unternehmen, damals noch als„Rasierer“. Zwei seiner drei Söhne gingen bei ihm in die Lehre und wurden dann offiziell Friseurmeister. Sohn Hermann hatte Erfolg mit seinem Salon in Zell an der Mosel. Den elterlichen Betrieb in Ellenz übernahm Sohn Berthold mit seiner Frau. Die war Schneidermeisterin und machte anschließend ebenfalls ihren Friseurmeister. Mit der Familie wuchs der Betrieb, der Friseursalon zog 1954 um und auch die nächste Generation legte erfolgreich Meisterprüfungen als Friseure ab. Sohn Kurt in Koblenz, Tochter Ingrid in Berlin. Mittlerweile hat Kurt Reichertz den eisernen Meisterbrief und seine Schwester den goldenen Meisterbrief erhalten.
Kurt Reichertz heiratete Irmgard, die natürlich - Friseur in war. Vom ersten gemeinsamen Betrieb in Cochem-Sehl ging es 1973 zurück in den Heimatort, wo das junge Ehepaar den elterlichen Betrieb in Ellenz-Poltersdorfübernahm. Mit am Start war dort der heutige Familienchronist Ralf Reichertz. 1960 geboren wirbelte er schon früh im Sehler Salon kräftig mit. Vor 50 Jahren begann auch er seine Ausbildung als Friseur.

Ein Glücksfall für die Familie und viele Köpfe der Region, denn Ralf Reichertz sollte die erfolgreiche Geschichte seiner Vorfahren auf ein neues Levelheben. Zwei Monate nach Ausbildungsbeginn belegte er den dritten Platz bei der deutschen CAT-Meisterschaft. Dieser Erfolg motivierte ihn zu weiteren Wettbewerben, bei denen er über 50 Platzierungen sammelte. Seine größten Erfolgewaren die Silbermedaille in Venedig, die Landesmeisterschaft, der große Preis von Deutschland und dann der eine Wettbewerb, von dem er bis heute mit leuchtenden Augen berichtet: „Mit erst 18 Jahren und als jüngster Gewinner, den es je gab, gewann ich den Weltpokal in Paris. Die Erinnerungen daran leben immer wieder auf, wenn ich im Fernsehen Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften sehe.“ Seine Frau Gülsemin Reichertz gewann die„Landesmeisterschaft der Friseure bei den Lehrlingen im Herrenfach“.
Der Salon Reichertz wuchs und ab 1990 stand dort ein Laufstall, in dem die nächste Friseur-Generation Salonluft schnupperte. Tochter Nadja, die später mit 13 Jahren und Sondergenehmigung erfolgreich an der Junioren-Europameisterschaft teilnahm. Angespornt vom Erfolg des Vaters wollte sie in seine Fußstapfentreten. Mit 15 Jahren wurde sie deutsche Junioren-Meisterin, mit erst 18 Jahren und damit zwei Jahre früher als ihr Vater Ralf (siehe Textrechts) wurde sie Friseurmeisterin und leitet heute ihren eigenen Salon. Fast 130 Jahre, fünf Generationen, eine Leidenschaft.
Kontakt:
Friseur Reichertz (nur Stammkunden)
Tel. 02673 1415
Informationen zur Historie des Friseurhandwerks: www.hessenpark.de/lexikon/dauerausstellungen/der-friseurberuf-ein-handwerk-des-koerpers
Vom „Rasierer“ zum Meisterfriseur
Das Friseur-Handwerk hat eine sehr wechselvolle Geschichte, wie die Urkunden der Familie Reichertz aus mehreren Jahrhunderten zeigen.
In der ersten Urkunde der Familie Reichertz bestätigt der königliche Landrat gegenüber dem „Rasierer Josef Reichertz (siehe Bild), geboren am 7. März 1878 in Ellenz“, dass er „am 1. Oktober 1908 länger als fünf Jahre nach den bis dahin geltenden bezüglichen Bestimmungen der Reichsgewerbeordnung zur Anleitung von Lehrlingen in seinem Handwerk befugtwar“. Die Befugnis wurde damit verlängert. 73 Jahre und zahlreiche Meisterurkunden später sorgte Urenkel Ralf Reichertz für diesen Zeitungsartikel: „Vor der Prüfungskommission der Handwerkskammer bestand Ralf Reichertz seine Prüfung als Friseurmeister mit ‚gut‘. Mit 20 Jahren ist er der jüngste Meister im Kammerbezirk in seinem Fach.“