Kreis Birkenfeld: Wirtschaftliche Entwicklung in einem Randgebiet

Der Kreis schwankt zwischen negativer Stimmung und vorsichtigem Optimismus. Im Gespräch: Hans-Jörg Platz, Unternehmer im Kreis Birkenfeld und IHK-Vizepräsident für die Region

01. Juli 2023
Kreis Birkenfeld: Wirtschaftliche Entwicklung in einem Randgebiet

Hans-Jörg Platz, Unternehmer im Kreis Birkenfeld und IHK-Vizepräsident für die Region. Foto: Arno Boes

Nach der Corona-Pandemie und den bewältigten Herausforderungen der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Energiekrise gab es im Herbst 2022 erste vorsichtig positive Signale aus den Unternehmen in unserem Land. Wir haben mit Hans-Jörg Platz.

Unternehmer im Kreis Birkenfeld und zugleich IHK-Vizepräsident für die Region, über die aktuellen wirtschaftlichen Fragen im Kreis Birkenfeld gesprochen.

Wie stellt sich die wirtschaftliche Entwicklung aktuell dar?
HJP:
Das positive Momentum im Vorjahr war leider nicht von großer Dauer. In unserer aktuelle Frühjahrsumfrage bewerten 76 Prozent der Betriebe ihre Lage als noch befriedigend bis schlecht, nur 24 Prozent sind zufrieden. Und wenn man nach den Erwartungen für die nächsten Monate fragt, rechnen nur 7 Prozent mit einer Verbesserung, 38 Prozent hingegen mit einer Verschlechterung. Rund die Hälfte hoffen auf eine gleichbleibende Geschäftstätigkeit. Großer Optimismus sieht anders aus.

Wo sehen Sie die Gründe für diese pessimistische Erwartung?
HJP:
Die liegen bei uns als Kreis am Rande des Landes nicht anders, als auch im gesamten Wirtschaftsraum der EU. Die steigenden Preise für Rohstoffe, Energie und schleppende Zulieferungen für die Produktion bremsen nahezu jede Expansion. Zwei Beispiele: In unserer Region sind viele Unternehmen der Automotiv-Branche angesiedelt, die vor allem als Zulieferer für die Automobilindustrie aufgestellt sind. Die dortigen Veränderungen in den Antriebstechniken und auch die Drosselung der Produktion wegen mangelnder Absatzmöglichkeiten trifft diese meist kleinen und mittelständischen Betriebe unmittelbar. Und aus dem für die Region repräsentativen Wirtschaftszweig des Tourismus und der Gastronomie haben sich viele Mitarbeitende während der Pandemie-Lockdowns beruflich verändert, oft auch in Tätigkeiten mit geregelter Arbeitszeit und fest definiertem Einkommen. Neben den ohnehin fehlenden Fachkräften kommen die jetzt nicht mehr in ihre früheren Dienstleistungsbetriebe zurück, die deshalb ihr Angebot reduzieren oder gar einstellen müssen.

Im Kreis haben neben den handwerklich orientierten Betrieben aus der Edelstein- und Schmuckbranche einige große Industrie- und Handelsunternehmen wie Fissler, ROFU-Kinderland, Mineralwasserproduzenten und auch BioNTec mit dem Produktions-Standort Idar-Oberstein ihren Sitz. Ist dieser Branchenmix zukunftssicher?
HJP
: Was Edelseine und Schmuck angeht stellen wir aktuell fest, dass offenbar viele Anleger sich hin zu Sachwerten orientieren. Da gibt es eine gute Auftragslage. BioNTec hat durch die jüngsten Entwicklungen für die Idar-Oberstein einen entschuldenden Geldsegen gebracht, der aber langfristig sehr marktabhängig ist. Dennoch setzten wir gerade auf die Biotechnik entlang des Nahe-Tals. Die Landesregierung hat mit Mainz einen Branchen-Schwerpunkt in ihrem Koalitionsvertrag definiert. Wir wollen das „Biotec-Valley“ in unserem Landkreis als Alternative dazu etablieren. Denn in der Region an der Nahe gibt es bereits zahlreiche Unternehmen, die auf diesem Gebiet aktiv sind. Zudem haben wir unter anderem mit der Firma HOWATHERM Klimatechnik im Kreis einen starken Spezialisten, dessen Portfolio für die Produktionsbedingungen in der Biotech-Industrie wertvolle Unterstützung und Ausrüstungen beinhaltet.

Neben den wirtschaftlichen Fragen ist der Klimaschutz ein weiteres großes Thema in unserer Gesellschaft. Wie stellt sich der Kreis dabei auf?
HJP:
´Unsere Hochschule Umwelt-Campus Birkenfeld mit rund 2000 Studierenden ist als grünste Hochschule Deutschlands für Umweltthemen bundesweit anerkannt. Das wollen wir weiter ausbauen und fördern. Dazu gehört auch, dass wir den Absolventinnen und Absolventen Arbeitsplätze und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten anbieten, denn die Region im und rund um den Nationalpark-Kreis Birkenfeld kann da weitergehende Chancen eröffnen.

Dabei spielen sicher auch Fragen der Infrastruktur und Verkehrsanbindungen eine Rolle, wenn man Fachkräfte hier halten oder zum Beispiel aus den städtischen Umgebungen in Mainz oder Frankfurt gewinnen möchte. Gibt es hier Konzepte für eine Umsetzung?
 HJP
: Derzeit wird bundesweit viel in den öffentlichen Personenverkehr investiert, was unter ökologischen Gesichtspunkten auch richtig ist. Wir dürfen aber gerade für die Flächen-Landkreise wie den unseren nicht das Straßennetz und unsere Anbindung über die B41 und B50 vernachlässigen. Die Fernverbindung über den Hochmoselübergang in Richtung Norden war zweifelsohne ein wichtiger Schritt für den Kreis. Wenn man aber regional für die Strecke zum Arbeitsplatz mit dem Auto rund 15 Minuten, aber aufgrund der Entfernungen und der vielen kleinen Orte mit öffentlichen Transportmitteln deutlich über eine Stunde benötigt, dann nützen bei der Umsetzung von Klimaschutzzielen die beste Wirtschaftsförderung und attraktive Arbeitsplätze wenig. Hier muss ein Gleichgewicht der Möglichkeiten unter Berücksichtigung von Ökologie und Ökonomie geschaffen werden. Das würde auch die Aktivitäten der Gemeinden zur Schaffung von neuen Wohngebieten unterstützen, damit vor allem junge Familien den Kreis Birkenfeld als ihren Lebensraum wählen.

Zum Schluss noch ein Blick auf internationale Fragen. Der US-Stützpunkt in Baumholder und das von chinesischen Firmen genutzte Areal „Oak Garden“ bei Hoppstädten öffnen internationale Tore. Wie sieht hier die Zukunft aus?
HJP:
Im Moment nach der Rücknahme der Trumpschen Abbaupläne erscheint der US-Stützpunkt, der ein großer Faktor für die Stadt Baumholder und die Region ist, wieder etwas stabiler. Vor Corona gab es im Oak Garden einige neue Projekte und auch schon Bauaktivitäten für die Ansiedlung weiterer 50 Unternehmen aus China. Hier stagniert es derzeit, woran natürlich auch die Weltpolitik mit dem Verhältnis zwischen China und Deutschland seinen Anteil hat. Aber es gibt auch positive Signale, die vorsichtigen Optimismus für beide Areale erlauben.

Das Gespräch führte Arno Boes