Erde zu Erde - natürliche Bestattungsformen

Sarg oder Urne?

26. Oktober 2022
Erde zu Erde - natürliche Bestattungsformen

Als Edward Abbey tot war, steckten die Männer ihn mit einem Haufen Trockeneis in seinen blauen Schlafsack und legten ihn auf die Ladefläche ihres Chevy- Pick-ups. Dann fuhren sie in die Wüste von Arizona und vergruben ihn, nachdem sie einen ganzen Tag lang nach einem geeigneten Ort gesucht hatten.

Was klingt wie ein Verbrechen, war in Wirklichkeit der letzte Wille des Verstorbenen: Edward Paul Abbey, genannt „Cactus Ed", war sein Leben lang Outdoor-Fan und Umweltaktivist. Sein Auftrag an seine Freunde lautete deshalb: keine Einbalsamierung, kein Sarg, kein Friedhof. Wer in Deutschland plant und seine letzte Ruhe irgendwo in der Natur finden möchte, hat es deutlich schwerer. Dagegen sprechen der Beisetzungs- und der Friedhofszwang. Letzterer gilt in allen Bundesländern außer Bremen, dort wurde er gelockert. Wer gestorben ist, heißt das, muss nach bestimmten Vorschriften beigesetzt werden und zwar, außer bei Seebestattungen, an einem Ort, der als Friedhof ausgewiesen ist. Doch es kommt Bewegung in die Branche. Denn immer mehr Menschen wünschen sich eine letzte Ruhestätte, die im Einklang mit der Natur steht. Bestattungen in Waldgebieten, die für Urnenbeisetzungen freigegeben wurden, boomen. Wer eine möglichst grüne" Bestattung möchte, hat wohl bald eine neue Möglichkeit - die kontrollierte Kompostierung ohne Sarg. Sie verwandelt einen Leichnam binnen weniger Wochen in Erde.

Erfunden hat die Methode das US-Unternehmen Recompose, das im Bundesstaat Washington sitzt und dort eine kontrollierte Renaturierung von Leichnamen seit 2020 anbietet. Die Gründerin Katrina Spade begann nach eigenen Angaben vor rund zehn Jahren, nach Alternativen zu den gängigen Bestattungsformen zu suchen, weil sie ihr nicht nachhaltig genug erschienen. In Deutschland bietet das Berliner Unternehmen Circulum Vitae unter dem Namen ,,Meine Erde" ebenfalls eine solche Bestattung an. Reerdigung nennen die Gründer Pablo Metz und Max Huesch das. ,,Viele Menschen, mit denen wir über den Tod gesprochen haben, machen sich Gedanken darüber, was von ihnen bleibt - nicht nur im übertragenen Sinne", sagt Metz. Wir wollen mit der Reerdigung eine Alternative anbieten, die - obwohl es ein trauriger Moment für die Hinterbliebenen ist - Optimismus verbreiten kann: Zwar ist ein Mensch gestorben, aber das Leben endet nicht. Indem er zu Erde wird, bleibt er dem Kreislauf der Natur erhalten."

Die erste deutsche „Reerdigung" fand im Februar 2022 im schleswig-holsteinischen Mölln statt. Um die deutschen Gesetze zu erfüllen, wird der bei der Kompostierung entstehende Humus nach den Regeln einer Erdbestattung auf einem Friedhof beigesetzt. Rund eine Million Bestattungen finden jedes Jahr in Deutschland statt. Seitdem wird die Kremierung, die meist preiswerter ist und mehr Zeit zwischen Tod und Beisetzung erlaubt, immer stärker nachgefragt - und macht nun das Gros aus. Welche Bestattungsmethode die ökologischere sein mag, ist umstritten: Schadstoffe in der Asche seien schlecht für den Boden, sagen die einen. Urnen seien energieeffizienter im Transport als Särge, entgegnen die anderen. Auch bei einer Verbrennung ist ein Sarg erforderlich, halten wiederum die Befürworter der Erdbestattung dagegen.

Auf beiden Seiten finden sich immer mehr Angebote, die die Ressourcen schon sollen: Sie reichen von Krematorien, die mit Ökostrom betrieben werden und die Abwärme nutzen, über Särge mit dem FSC-Holzsiegel bis hin zu Grabsteinen aus garantiert einheimischem Material. Mit der „Grünen Linie" gibt es inzwischen auch ein Netzwerk von zertifizierten Unternehmen der Branche, die besonderen Wert auf den Umweltschutz legen. Die niederländische Firma Loop bietet sogar zertifizierte Särge aus Pilzgeflecht an, die eine schnellere und natürlichere Verwesung ermöglichen sollen. red


Junge Menschen trauern anders

Liebevolle Erinnerungen lebendig halten

Warum musstest du so früh gehen? Eine Frage, die sich verzweifelte Angehörige und Freunde häufig stellen, wenn ein junger Mensch stirbt. Das geschieht oft unerwartet, wie durch Unfall oder schwere Erkrankung, und fühlt sich anders an, als beim Tod älterer Personen. Werden junge Menschen mitten aus dem Leben gerissen, müssen auch Gleichaltrige damit fertig werden. Experten wie Theologen, die mit Kindern und Jugendlichen in Schulen arbeiten, wissen: Sie können laut, intensiv, impulsiv und verstörend trauern - möchten Grenzen ausloten, dann wieder so tun, als wäre nichts gewesen.

Den Kummer anders verarbeiten

Im Umgang mit jungen Menschen, die Kummer vielfach noch nicht gewohnt sind, ist Fingerspitzengefühl notwendigen. Dazu gehört auch das Angebot von alternativen Formen des Abschieds und zur Verarbeitung der Trauer. Bei Jüngeren kann noch mehr als bei Älteren das Bedürfnis bestehen, eine Verbindung zu halten und sich lange im Leben an den geliebten Menschen zu erinnern. Eva Deppe vom Familienunternehmen Nano Solutions kennt sich mit einer besonderen Art der Trauerbewältigung aus: Ihr Unternehmen stellt in Nettetal am Niederrhein Trauerschmuck her.

Wie Schmuck Trost spenden kann

In den Schmuckstücken aus Edelstahl, teils mit Gold- und Silberakzenten, verbirgt sich eine unsichtbare Kammer. Darin können etwa Haare, Blüten oder Asche des Verstorbenen eingeschlossen werden. Persönliche Erinnerungen lassen sich auch auf einem Schmuckstück am Arm oder Hals tragen. Darauf ist der Fingerabdruck des Verstorbenen zu sehen, aufgetragen per Laser. „Es kann Trost spenden und Halt geben, dieses 'Markenzeichen' des geliebten Menschen immer bei sich zu haben", sagt Eva Deppe. Die Fingerabdrücke werden für die Gravur mit einem Spezialverfahren abgenommen und als Daten digital oder mit der Post übermittelt. Die Traueranzeigen, die Hinterbliebene eines jung Verstorbenen an Freunde und Verwandte schicken, können individuell gestaltet werden und statt eines Kreuzes oder betender Hände andere Motive zeigen. Das können Fotos oder stimmungsvolle Bilder von Pusteblumen, Vögeln oder zarten Federn sein, die zum Charakter der verstorbenen Person passen. djd