Stiller Riese

Wo Deutschland den Weltmarkt noch dominiert

04. Juni 2025
Stiller Riese

Foto: sittinan - stock.adobe.com

„Exportweltmeister“ – dieser Titel wird Deutschland zwar noch immer gern zugeschrieben, doch in der Realität ist die Luft dünner geworden. Der neue IW-Report des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt jedoch: Auch wenn der Vorsprung in vielen Bereichen schwindet, behauptet sich die deutsche Industrie in über 180 Warengruppen noch mit deutlicher Exportdominanz. Das sind genau die Produkte, auf die Deutschlands wirtschaftliche und geopolitische Stärke künftig bauen könnte. 

Markenkern der Exportnation

Laut der Studie, die vom Auswärtigen Amt gefördert wurde, konnte Deutschland im Jahr 2023 in 178 Warengruppen einen Weltmarktanteil von mindestens 30Prozent erzielen – teilweise sogar mehr als 90Prozent. Besonders stark ist Deutschland in klassischen Industriebereichen wie Chemie, Maschinenbau, Elektrotechnik sowie bei Produkten aus unedlen Metallen. Diese vier Segmente machen zwei Drittel aller Exportdominanz-Warengruppen aus.

Unter den wichtigsten Exportschlagern mit hoher Dominanz finden sich unter anderem Kieserit (Magnesiumsulfat) mit 94Prozent Weltmarktanteil, Opioid-Schmerzmittel wie Tilidin (über 90Prozent) sowie verschiedene hochspezialisierte Maschinen – etwa Erntemaschinen oder Autokrane. Auch bei bestimmten Komponenten für Flugzeuge und bei Edelmetallverbindungen ist Deutschland führend. 

Weniger Breite, mehr Spezialisierung

Deutschlands Exportmotor läuft - wenn auch zunehmend in der Nische. Foto: tashatuvango - stock.adobe.com
Deutschlands Exportmotor läuft - wenn auch zunehmend in der Nische. Foto: tashatuvango - stock.adobe.com

Ein Vergleich mit dem Jahr 2010 zeigt allerdings: Damals lag die Zahl der dominanten Warengruppen noch bei 237 – heute sind es knapp 60 weniger. Diese Erosion wird durch eine zunehmende Konkurrenz aus China verursacht. Allein in der Maschinen- und Elektrotechnik hat Deutschland 28 dominante Exportpositionen verloren, bei denen China seinen Anteil teils drastisch erhöhen konnte. So sank beispielsweise der deutsche Weltmarktanteil bei Flachwirkmaschinen von 53 auf unter 20 Prozent – während China von 4 auf 46 Prozent zulegte.

Gleichzeitig gelingt es der deutschen Industrie, in ausgewählten Bereichen neue Dominanz aufzubauen. Zwar schrumpft die Zahl der Warengruppen insgesamt, doch bei einigen Produkten steigt der Anteil – insbesondere bei industriellen Zwischenprodukten und chemischen Grundstoffen. So konnte Deutschland bei bestimmten chlorierten Kohlenwasserstoffen seine Exportanteile um über 30 Prozentpunkte steigern. 

Globale Vergleiche: USA vorn, China enteilt

Im internationalen Vergleich zeigt sich ein gemischtes Bild. Deutschland liegt mit seinen 233 unbereinigten dominanten Warengruppen noch vor Japan, Frankreich und Italien, aber deutlich hinter den USA (347) – und weit abgeschlagen hinter China: Die Volksrepublik dominierte 2023 bei über 1.500 Warengruppen den Weltmarkt. Dagegen setzen sich die EU-Staaten gemeinsam durchaus zur Wehr: Zusammen mit den G7-Staaten käme die EU auf über 4.500 dominante Warengruppen – theoretisch mehr als das Doppelte Chinas. Doch dieser Vorteil existiert nur auf dem Papier – nur wenn die westlichen Staaten tatsächlich abgestimmt handeln, wird daraus auch wirtschaftliche Stärke.

Deutschlands Rolle als Exportweltmeister wandelt sich zunehmend – von der Breite zur Tiefe, von der Massenware zur Nische. Die Konzentration auf hochspezialisierte, industriell relevante Warengruppen kann ein strategischer Vorteil sein – insbesondere dann, wenn geopolitische Spannungen weiter zunehmen. Wo Abhängigkeiten entstehen, kann auch Druckpotenzial wachsen.

Quelle: IW-Report „Exportdominanz Deutschlands im Außenhandel“ von Dr. Samina Sultan und Jürgen Matthes, erschienen am 18. März 2025.

Zahlenspiele im Export: Warum 178 nicht 233 ist

Die Studie nennt zwei unterschiedliche Zahlen dominanter deutscher Exportpositionen für das Jahr 2023:

Es wurden deshalb 55 Warengruppen mit auffälligen Abweichungen ausgeschlossen. Übrig bleibt eine konservativ gerechnete, verlässlichere Zahl von 178 exportdominanten Warengruppen.