Der Fachkräftemangel bleibt eine der größten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft – trotz konjunktureller Abkühlung. Mit der wachsenden Bedeutung internationaler Fachkräfte rückt ein Thema zunehmend in den Fokus: die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Doch wie gehen deutsche Unternehmen tatsächlich mit diesem Instrument um? Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) liefert nun erstmals detaillierte Einblicke.
Relevanz erkannt - Praxis ausbaufähig
Laut IW-Report haben bislang nur 17,2?Prozent der Unternehmen praktische Erfahrungen mit der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen gesammelt. Die Mehrheit – über 80 Prozent – hatte damit noch keine Berührungspunkte. Dabei gilt: Je größer das Unternehmen, desto wahrscheinlicher sind entsprechende Erfahrungen. Gerade kleinere Betriebe sehen sich oft mit Bürokratie, Informationslücken und Zeitmangel konfrontiert.
Besonders positiv wird die Anerkennung in Fällen bewertet, in denen bestehende Mitarbeiter nachträglich ihre Abschlüsse anerkennen lassen. Hier dominiert das Motiv der Wertschätzung und langfristigen Bindung – zwei Faktoren, die für über 70?Prozent der erfahrenen Unternehmen entscheidend sind. Negative Erfahrungen hingegen werden häufig mit langwierigen Prozessen, unklaren Zuständigkeiten oder Visaproblemen in Verbindung gebracht.
Verfahren zu kompliziert, Informationen zu wenig sichtbar
Ein zentrales Ergebnis der Befragung: Viele Unternehmen – insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen – fühlen sich unzureichend informiert. Über die Hälfte der Unternehmen ohne Erfahrung kann Dauer und Ablauf des Verfahrens nicht einschätzen. Der Wunsch nach klaren, digital zugänglichen Informationen und persönlicher Beratung ist entsprechend groß: Zwei Drittel wünschen sich feste Ansprechpartner, 70 Prozent schnellere Verfahren. Unterstützt wird dies durch eine breite Zustimmung für digitale Antragstellung und KI-gestützte Anerkennungshilfen.
Neue Wege durch Fachkräfteeinwanderungsgesetz
Seit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes 2023 wurden flexiblere Zugänge für Fachkräfte aus Drittstaaten geschaffen. Besonders die sogenannte Anerkennungspartnerschaft, bei der die Anerkennung während einer Beschäftigung im Unternehmen erfolgen kann, wird von 74,8?Prozent der Unternehmen positiv bewertet. Auch die Chancenkarte, mit der Fachkräfte zur Arbeitsplatzsuche einreisen dürfen, wird mehrheitlich begrüßt. Doch: Viele Unternehmen kennen diese Instrumente noch nicht oder sind unsicher in der Anwendung.
Engagement wächst - vor allem bei Erfahrenen
Wo Unternehmen bereits positive Erfahrungen gesammelt haben, wächst auch die Bereitschaft, aktiv zu unterstützen. Rund 70 Prozent helfen bei der Antragstellung, 68 Prozent bieten Weiterbildungen zur Gleichwertigkeit an, 42 Prozent übernehmen sogar Kosten für Übersetzungen oder Gebühren. Damit wird deutlich: Mit Erfahrung steigt das Engagement – und der Wunsch nach effizienteren Verfahren.
Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse ist ein hochwirksames, aber untergenutztes Instrument zur Fachkräftesicherung. Gerade in strukturschwachen Regionen oder Engpassberufen könnte sie dazu beitragen, Personalengpässe zu mindern und zugleich internationale Fachkräfte besser zu integrieren. Entscheidend ist, das Verfahren einfacher, schneller und sichtbarer zu machen – und Unternehmen mit gezielten Informationen, Best-Practice-Beispielen und digitaler Unterstützung zu begleiten.
Quelle: IW-Report „Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse aus Unternehmenssicht“, Autoren: Gesina Leininger et al., erschienen am 3. März 2025.