Jede Sichtweise ist Teil eines Gesamtbildes

27. Juni 2024
Jede Sichtweise ist Teil eines Gesamtbildes

Foto: Andrii Yalanskyi - stock.adobe.com

Mir fiel kürzlich wieder die Geschichte von den fünf Gelehrten und dem Elefanten in die Hände, die ich Ihnen, sollten Sie sie nicht kennen, gerne kurz wiedergebe:

In einem Königreich lebten einst fünf weise Gelehrte. Und sie alle waren blind. Ihr König schickte sie auf die Reise nach Indien, um herauszufinden, was ein Elefant ist. Dort angekommen, wurden sie von einem Helfer zu einem Elefanten geführt. Sie standen dann um das Tier und versuchten, sich durch Ertasten ein Bild von dem Elefanten zu machen. Wieder zurück beim König sollten sie über den Elefanten berichten.

Katharina Schlag Foto: Olaf Nitz
Katharina Schlag Foto: Olaf Nitz

Der erste blinde Gelehrte hatte das Ohr des Tieres ertastet und begann „Der Elefant ist wie ein großer Fächer.“ Der zweite Blinde, der den Rüssel berührt hatte, widersprach ihm: „Nein, er ist ein langer Arm.“ „Stimmt nicht, er fühlt sich an wie ein Seil mit ein paar Haaren am Ende“, entgegnete jener Gelehrte, der den Schwanz des Elefanten ergriffen hatte. Er ist wie eine dicke Säule!“, berichtete der vierte blinde Gelehrte, der das Bein ertastet hatte. Und der Fünfte, der den Elefantenrumpf berührt hatte, meinte: „Der Elefant ist wie eine riesige Masse, mit einigen Rundungen und Borsten darauf, Sie konnten sich nicht einigen, was ein Elefant wirklich ist. Aufgrund ihrer widersprüchlichen Aussagen fürchteten die Gelehrten den Zorn des Königs.

Doch der König lächelte weise: „Ich danke euch, denn nun weiß ich, was ein Elefant ist: Ein Elefant ist ein Tier mit Ohren wie Fächer, mit einem Rüssel, der wie ein langer Arm ist, mit einem Schwanz, der einem Seil mit ein paar Haaren daran gleicht, mit Beinen, die wie starke Säulen sind und mit einem Rumpf, der wie eine große Masse mit einigen Rundungen und ein paar Borsten ist.“

Die Gelehrten senkten beschämt ihren Kopf, nachdem sie erkannten, dass jeder von ihnen nur einen Teil des Elefanten ertastet hatte und sie sich zu schnell damit zufriedengegeben hatten.

Jeder von uns nimmt die Welt anders wahr, interpretiert gewonnene Eindrücke anhand gemachter Erfahrungen und bildet seine eigenen Wahrheiten. Dadurch entstehen unterschiedliche Sichtweisen und wir sind nicht alle einer Meinung. Aber das müssen wir auch nicht sein. Ich frage mich nur, warum wir die Vielfalt nicht als Bereicherung begreifen, die uns hilft, ein möglichst vollständiges Bild der Realität zu bekommen?

Was wäre, wenn wir erst zuhören und versuchen würden, das Gegenüber zu verstehen, statt direkt vom eigenen Standpunkt überzeugen zu wollen?

Was wäre, wenn wir uns eingestehen, fehlbar zu sein, statt unwiderruflich an einer Meinung festzuhalten?

Was wäre, wenn wir akzeptieren, dass jede Sichtweise ein Teil des Gesamtbildes ist, statt zu meinen, dass eine Wahrheit die andere auslöscht?

Es wäre höchste Zeit ...!

Ihre
Katharina Schlag
Geschäftsführerin Wirtschaftsförderung Kreis Westerwald