Wie sieht es im Handwerk aus?
Lauer: „Auf der einen Seite sieht es im Handwerk hervorragend aus, weil das Handwerk in den letzten Jahren eine Entwicklung mitgemacht hat, bei der man sagen kann, dass auch das traditionsreiche, ehrbare Handwerk im 21. Jahrhundert angekommen ist.
Wenn man ehrlich ist, ohne Digitalisierung, moderne Kommunikationsmittel und Techniken ist heute die Bewältigung des Handwerksalltags eigentlich undenkbar. Man merkt, dass die Betriebe offen sind für diese Entwicklungen. Das kommt auch bei den jungen Leuten sehr gut an. In den letzten 15 bis 20 Jahren hat das Handwerk eine enorme Entwicklung genommen. Es ist attraktiver geworden, die betrieblichen Organisationen und Abläufe wurden modernisiert, Weiterbildungsmaßnahmen gehören zum Alltag.“

Nehmen Schüler wahr, dass sich die Ausbildung im Handwerk derart verändert hat?
Lauer: „Wir haben mehrere Punkte zu beachten. Wir haben einen Akademisierungswahn innerhalb der Gesellschaft, der sich im Wunschdenken der Eltern verhaftet. Sie meinen, wenn ihr Kind eine wahre Chance in seinem Leben haben soll, dann geht das nur, wenn es das Abitur hat und studiert. Diese Wahrnehmung der Eltern kann man nicht einfach vom Tisch wischen. Gymnasien haben jedoch den Auftrag, auf das Hochschulstudium vorzubereiten und nicht auf die Maurerlehre. Mit dem Wegfall der verbindlichen Lehrerempfehlung für die weiterführende Schule und nun auch noch dem Wegfall der Hauptschule wurde dem Handwerk eine klassische Rekrutierungsmöglichkeit weggenommen. Das Handwerk, der Handel und Industriefacharbeiter haben früher aus einer ordentlichen Hauptschule heraus den Berufsnachwuchs entwickelt. Und hervorragende Meister hervorgebracht.“
Welcher Punkt ist noch zu beachten?
Lauer: „Dann gibt es noch eine gesellschaftliche Sicht, in der halt die Schlips- und Kragenberufe eindeutig ein besseres Image gegenüber dem Blaumann und dem Stahlkappenschuhträger haben. Das habe ich selbst erlebt. Ich habe als Jugendlicher einem Verwandten geholfen, der war Zimmerermeister und hat Trockenbau gemacht. Das hat mir riesigen Spaß gemacht. Als ich jedoch sagte, dass ich mir das als Beruf vorstellen könnte, war das Unverständnis groß. Meine Eltern und Großeltern selbst Handwerker - waren entsetzt: Jetzt hat man dich aufs Gymnasium geschickt und nun willst du ausgerechnet auf den Bau gehen.“
Weshalb ist das Image des Handwerkers bei Eltern so schlecht?
Lauer: „Ich habe erst spät verstanden, weshalb meine Familie so gegen das Handwerk war. Diese Generation hat Handwerk erlebt, als es im Handwerk noch ziemlich hart zuging. Handwerk hatte nicht den besten Ruf, es wurde nicht gut bezahlt, die Bedingungen waren oft unzureichend. Dieses Bild hat sich bei vielen bis heute eingeprägt.“

Und wie sehen die Arbeitsbedingungen im Handwerk heute aus?
Lauer: "Nicht mehr vergleichbar zu früher. Die Verdienstmöglichkeiten sind sehr gut, die soziale Absicherung ist prima. Es gibt Abfederungen wie das Saison-Kurzarbeitergeld. In den letzten 12 Jahren hat sich gerade bei den Azubis der Tarif fast verdoppelt. Und wenn Sie die Verdienstmöglichkeiten eines Dachdeckers mit denen einen Stationsarztes vergleichen, dann sehen Sie keine großen Unterschiede mehr.
Auch die Arbeitsbedingungen sind deutlich besser geworden durch den Einzug der Technisierung. Auf den Baustellen werden heute ganz andere Materialien und Arbeitstechniken angewendet. Handwerksberufe waren früher oft viel gefährlicher. Das Risiko einen Arbeitsunfall zu erleiden, ist deutlich zurückgegangen. Es wurde unheimlich viel getan, um es dem Arbeitnehmer im Handwerk angenehmer zu machen.“
Wie sieht es aus mit Frauen im Handwerk?
Lauer: „Sehr gerne. Ich gebe zu, ich war da früher skeptischer, aber ich bin ja seit einiger Zeit im Meisterprüfungsausschuss und erlebe immer wieder, wie gut sie sind. Sie sind stark, ehrgeizig, intelligent, sie wissen genau, was sie machen, sind in der handwerklichen Ausführung äußerst korrekt, akkurat und handwerklich begabt. Jede Frau im Handwerk ist ein echter Gewinn für das Handwerk.“
Das Gespräch führte Petra Dettmer