Die Urkunde hängt im Büro, genau aus im Blickfeld von Peter Führ. Am 16. Oktober 1948, ist darauf zu lesen, begann für das Transportunternehmen aus Gondershausen ein Auftrag, der bis heute gilt: Seit - fast - 75 Jahren sorgt die Spedition Führ Nacht für Nacht dafür, dass Zehntausende Exemplare der Rhein-Zeitung und ihrer Heimatausgaben vom Druckhaus in Koblenz hinaus in die Fläche transportiert werden. Wir decken gut 80 Prozent des südlichen Verbreitungsgebietes ab“, erklärt Peter Führ. Der 57-Jährige führt die Geschäfte, seit er die Spedition 1993 mit seinem Bruder Michael von Vater Hans Führ übernommen hatte. Der Senior war es denn seinerzeit auch, der 1948 den Auftrag erhielt, Drucksachen und Presseerzeugnisse des Mittelrhein-Verlags zu transportieren - wie etwa die Rhein-Zeitung.
Sieben bis acht Sprinter aus dem Fuhrpark der Spedition fahren allabendlich die Ausgaberampen im Koblenzer Druckhaus an - ausgenommen ist der Samstag, da sonntags keine gedruckte Ausgabe der Rhein-Zeitung erscheint. Ansonsten aber gilt für jeden Tag - oder besser: für jeden Abend - der Woche: Die Zeitung will zu ihren Leserinnen und Lesem gebracht werden. „Wir übernehmen diesen Weg von Boppard am Rhein bis Bingen, für den gesamten Hunsrück, runter an die Nahe bis an die saarländische Grenze“, erklärt Führ. Strecken, die sich auf gut 2000 Kilometer summieren - pro Nacht.
Mit Tausenden Exemplaren der Zeitung an Bord steuern die Fahrer durch die Nacht. Je nach Tour liegen 50 bis 80 Abladestellen auf ihrer Route, dabei handelt es sich meist um abschließbare Kisten. Mit dem Logo der Rhein-Zeitung bedruckt und in dem typischen Blau lackiert, legen die Führ-Fahrer jene Zeitungsexemplare ab, die wiederum von Zustellerinnen und Zustellern am frühen Morgen in die Briefkästen der Abonnenten gesteckt werden. „Bis 4.30 Uhr haben wir in der Regel die letzten Abladestellen erreicht“, erklärt Führ. Dann schlägt die Stunde der Zusteller, auf dass die Zeitungen bis 6 Uhr verteilt sein würden. Während die Zeitung diese letzte Etappe auf ihrem Weg vom Druckhaus hinein in die Privathaushalte nimmt, machen sich die Fahrer auf den Rückweg. So zumindest skizziert Spediteur Führ die Nacht seiner Mitarbeiter und damit oft genug auch eine seiner Nächte.
Wird ein Fahrer krank, ist ein Kollege im Urlaub, springt Führ oft selbst als Vertretung ein. Er kennt alle Touren, er kennt jede Abladestelle, ohne Erfahrung geht es nun einmal nicht. Denn: Logistik ist auch im Kleinen gefragt, pro Fahrzeug. „Man muss seinen Wagen entsprechend der Route packen“, erklärt Führ. Also vor Abfahrt sortieren, an welcher Abladestelle wie viele Zeitungsexemplare ausgeladen werden. Hinzu kommen Briefe, in Posttaschen sortiert. Da ist Kenntnis gefragt, die Route samt Abladestellen muss geläufig sein. Jeder seiner Fahrer, berichtet Führ, muss daher sattelfest für zwei Routen sein, die Kollegen wechseln regelmäßig durch. „Das macht es einfacher bei Vertretungen“, sagt Führ. Zumindest bei planbaren. Muss kurzfristig gehandelt werden, springt er als Chef eben selbst ein. Seit drei Jahren führt er die Spedition übrigens allein, Bruder Michael ist in Rente. Offiziell zumindest. „Er hilft trotzdem noch viel im Betrieb“, sagt Führ.
Flexibilität ist denn auch eines der Stichworte, die das Arbeitsleben der beiden Brüder stets geprägt haben und es nach wie vor tun. Transportdienstleister zu sein, bedeutet ein Stück weit auch, auf Zuruf zu arbeiten, meint Peter Führ. Grundsätzlich sind die Prozesse im Druckhaus und Zeitpläne für Transportfahrer genau getaktet, erklärt er. Doch es könne immer mal vorkommen, dass sich Abläufe leicht verschieben, hier sei eben Flexibilität gefragt. Oder wenn sich abzeichne, dass beispielsweise eine umfangreiche Beilage der Tageszeitung mit ausgefahren wird, dann muss ich die Transportkapazität erhöhen und mit ein, zwei Sprinter - und Fahrern - mehr planen“, sagt Führ und spricht über genau einzuhaltende Lade- und Gewichtslisten und mehr: Der Auftrag, die Rhein-Zeitung zu transportieren, mag seit 1948 im Kern derselbe sein. Ihn auszuführen, ist deutlich komplexer und umfangreicher geworden. Anke Mersmann
Wie in einem Bienenstock
In der Versandhalle herrscht am Abend ein reger Betrieb, man könnte sagen, dass es wie in einem Bienenstock zugeht. Etwa 130 Fahrzeuge fahren im Minutentakt durch die großen Versandhallen und werden an Rampen mit den Zeitungspaketen beladen. Was chaotisch aussieht, hat bei genauer Betrachtung allerdings System. Jeder Fahrer weiß genau, wo er hin muss, und lädt zügig auf. Das dauert nur wenige Minuten. So wandern jedes Jahr rund 60 Millionen Zeitungen in die Transporter der etwa 40 Spediteure und werden in die Zustellbezirke gebracht. Dort verteilen die gut 6 500 Zusteller die Rhein-Zeitung in die Haushalte. Und im ländlich geprägten Verbreitungsgebiet der Rhein-Zeitung und ihrer Heimatausgaben kommen pro Nacht mehrere Tausend Kilometer zusammen. Jens Weber